Gastbeitrag von Bernd Reuschenbach, KSH München:
Im Sommer 2023 wollte ich im Rahmen der Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag von Joachim Funke etwas zur Auswertung des Heipi-Blogs sagen, aber die Rednerliste war lang und die Analysen noch nicht weit fortgeschritten.
Erste Einblicke in die Auswertung der HeiPi-Blog-Beiträge und damit Anregungen für die genauere Analyse gebe ich hiermit gerne.
Der erste Beitrag im HeiPi-Blog wurde am 7. Dezember 2005 veröffentlicht („ab heute wird gebloggt“). Der letzte in der Auswertung berücksichtigte Beitrag ist vom 16. Juni 2022 („Tag der Freunde 2022“). In den knapp 17 Jahren ist ein mächtiger Textkorpus entstanden: 359,984 Wörter auf knapp 1140 Seiten.
Wie nähert man sich dieser Datenmenge? MaxQDA24 ermöglicht über MaxDictio eine erste automatisierte Visualisierung der am häufigsten genutzten Wörter (Abbildung 1).
Abbildung 1: Wortwolke aller Blogbeiträge von 2007 bis 2022 (MaxQDA24, mininale Häufigkeit 30, Stopp-Wort-Liste, Lemmantisierung).
Für die quantitative Textanalyse ist auch Voyant ein brauchbares Tool (https://voyant-tools.org). Es zeigt, dass in den Beiträgen durchschnittlich 21 Wörter pro Satz genutzt werden. Die Wortschatzdichte liegt bei 0,132 und der Readbility-Index bei 15.98 (ermittelt über den https://en.wikipedia.org/wiki/Coleman–Liau_index).
Für die qualitative Analyse kann die Systematik, die der Autor selbst nutzt (Universität, Studium, Spass, Senat, Politik, Personelles, Nachruf, Nachhaltigkeit, Forschung, Fakultät etc.) hilfreich sein. Diese Systematik wurde aber erst mit dem Umzug des Blogs (im Jahr 2022) eingeführt, so dass hier nachträgliche Kategorisierungen notwendig waren.
Insgesamt zeigen sich folgende Trends:
- Die Themenvielfalt nahm in den vergangenen 17 Jahren deutlich zu: Standen am Anfang bevorzugt das psychologische Institut Heidelberg und Forschung zum Problemlösen im Mittelpunkt, so kommen ab 2015 zunehmend Themen wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit zur Sprache.
- Nachrufe nehmen zu: Mit steigendem Lebensalter sterben Freunde und Kollegen, damit steigen Beiträge in dieser Kategorie.
- Standen bis 2015 noch die Besprechungen psychologischer Fachbücher und Artikel im Mittelpunkt, so werden neuerdings auch vermehrt wissenschaftstheoretische und belletristische Werke besprochen.
Die qualitativen Befunde lassen sich mit Voyant validierend quantifizieren (Abbildung 2).
Abbildung 2: Relative Häufigkeit des Begriffs „Nachhaltigkeit“ in dem gezehntelten und zeitlich gereihten Textkorpus.
Die Auswertung kann mit Theorien zur „Lebensalter abhängigen Wissenschaftsproduktivität“ gerahmt werden, die je nach Wissenschaftsdisziplin typische Zyklen der Publikationsleistung beschreiben. Für die Sozialwissenschaft scheint es eher keinen alterskorrelierten Abfall der Publikationsleistung zu geben (Kyvik, 1990) (Svein Kyvik, S. (1990). Age and Scientific Productivity. Differences between Fields of Learning. Higher Education, 19 (1), 37-55; siehe auch https://nintil.com/age-and-science/). Diese Art der Forschung nutzt bibliometrische Daten oder die Anzahl von Auszeichnungen und Preisen und bleibt damit quantitativ. Der HeiPI-Blog bietet mehr, weil es nicht nur um Wissenschaft geht, sondern um alles Welt- und Funkebewegende. Damit rückt das Datenmaterial schon in die Nähe eines Tagebuchs und könnte mit qualitativen Tagebuchverfahren ausgewertet werden.
Ganz im Sinne der Bonner Forschungstradition wäre eine daseinsthematische Auswertung sensu Hans Thomae sicherlich lohnenswert. Vielleicht dann im nächsten Jahr, zum 20. Geburtstag des HeiPi-Blogs!
Eine Antwort
Lieber Bernd, vielen Dank für deinen Gastbeitrag! Sehr interessant, was du mit einer qualitativen Analyse der herausgefunden hast! Meine „Lebensthemen“ haben sich über die Zeit hinweg sicher verändert, auch wenn das komplexe Problemlösen sind nach wie vor hohe Aufmerksamkeit geniesst! Ich bin gespannt, was noch alles in meinem Blog zu finden ist!