Jürgen Bredenkamp wird 85 Jahre alt

Am 29.3.2024 wird Jürgen Bredenkamp 85 Jahre alt. Für mich, der ich 15 wichtige Jahre (von 1982-1997) in seiner Abteilung (zunächst 1982-1984 in Trier, später in Bonn 1984-1997) tätig war, ein Anlass zur Rückschau und zum Dank.

(Foto: JF)

Ein paar Worte zunächst zu seinem Lebenslauf, die ich aus seinem Wikipedia-Eintrag zitiere: „Er studierte von 1958 an zunächst Jura, dann Psychologie, Physiologie und Philosophie. 1964 wurde er über die Experimentalpsychologische Analyse der Flimmerverschmelzungsfrequenz als Ermüdungsindikator an der Universität Hamburg promoviert. 1971 habilitierte er sich an der Universität Heidelberg mit einer Schrift über die Berechtigung statistischer Inferenzverfahren in der Experimentellen Allgemeinen Psychologie. Er lehrte an den Universitäten Bonn (1972), Göttingen (1972) und Trier (1980). Einen Ruf an die Bochum 1975 lehnte er ab. Von 1984 bis zu seiner Emeritierung 2004 blieb er an der Universität Bonn.“

Was Wikipedia – neben vielem anderen – nicht verrät: Die gute Zeit in Heidelberg (dort hat er auch seine Frau Karin kennen- und lieben gelernt), die er hier wohl hatte. Die Zeit in der alten „Villa“ (Hauptstr. 242, dem heutigen IWH) muss toll gewesen sein! Gegenüber (in der damals noch bestehenden Herrenmühle) befand sich ein begehbarer Ames-Raum (Ames scheint selbst einmal Anfang 1950 in HD gewesen zu sein), der zur Demonstration (und zum Experimentieren) diente. Damals gab es noch keine Bildschirme, vor die man Testpersonen setzen konnte – es ging um richtiges Verhalten im räumlichen Setting.

Carl Friedrich Graumann bereitete in den 1960er Jahren die Expansion des Instituts vor (es bestand damals nur aus 1 Professur, wuchs dann schnell an und machte den Umzug in die Hauptstr. 47 nötig); die Feste, die in der Villa gefeiert wurden, sollen legendär gewesen sein. JB hat darüber manche Anekdote erzählt.

Die von Wikipedia erwähnte Heidelberger Habilschrift von Jürgen Bredenkamp (das 50jährige Habil-Jubiläum haben wir hier leider übersehen, sorry!) ist besser bekannt unter dem Titel „Der Signifikanztest in der psychologischen Forschung“ (1972 in Frankfurt bei der Akademischen Verlagsgesellschaft erschienen). Der darin enthaltene statistische Ansatz (stark von Poppers deduktiv-methodologische Vorstellungen geprägt) war auch für mich ein Leitfaden im (kritischen) Umgang mit Statistik. Die für ihn 2004 verfasste Festschrift trägt denn auch folgerichtig den Titel „Allgemeine Psychologie und deduktivistische Methodologie„. – Jahrelang war er für mich der „Chef“ (die Respekt-Person). Dass wir uns inzwischen duzen, erstaunt mich immer noch.

Als Rheinländer über einen Hanseaten zu schreiben, ist vermutlich so wie wenn ein Behaviorist über Liebe schreibt – wie soll man wissen, was in einem Hanseaten vorgeht, wo doch die wichtigste Quelle rheinischer Erkenntnis – die Teilnahme am Karneval (ich bin Düsseldorfer) – nicht zur Verfügung steht… Bei unseren Karnevals-Exzessen in Bonn (Gott sei Dank gab es damals noch keine social media!) war er nie dabei. Ich will es dennoch versuchen und stütze mich neben den eigenen Erinnerungen auf Berichte und Anekdoten, die mir von verschiedenen Seiten bereitgestellt wurden. 

1980 nahm er den Ruf auf die Professur für Allgemeine Psychologie an der Universität Trier an. Werner Wippich und Silvia Mecklenbräuker brachte er aus Göttingen mit, ebenso den frisch diplomierten Edgar Erdfelder, der seine 800seitige Diplomarbeit unter höchstem Zeitdruck zu Papier und zu Ende brachte. Mich selbst überzeugte er damals, bei ihm Assistent zu werden, indem er mir die Probleme eines Deutschen in der Schweiz ausmalte – hatte ich doch gerade einen Arbeitsvertrag bei Hans Aebli (der hatte damals ein tolles Buch veröffentlicht, das mich angelockt hatte: Denken. Das Ordnen des Tuns, 1980/81, Klett-Cotta) in Bern unterzeichnet, den ich dann wieder aufkündigte, bevor ich meinen Dienst dort in der Schweiz antrat. Ich habe es nicht bereut.

Eine persönliche Anekdote aus der Zeit meiner Promotion an der Uni Trier. Nachdem ich 1982 das Thema des Komplexen Problemlösens für mich entdeckt hatte (offensichtlich ein Lebensthema), begann ich recht bald mit einer Kritik der damaligen Forschung, die vor allem von Dietrich Dörner und seiner Arbeitsgruppe  vorangetrieben wurde. Unter den von mir attackierten Arbeiten befand sich auch eine von Wiebke Putz-Osterloh und Gerd Lüer verfasste Arbeit über den unter Intransparenz angeblich nicht nachweisbaren Zusammenhang zwischen Testintelligenz und der Leistungsgüte im computersimulierten Szenario „Schneiderwerkstatt„. In meinen eigenen Untersuchungen konnte ich einen gegenteiligen Befund aufdecken und ging entsprechend kritisch an die Arbeit. Am 29. März 1983, ein Datum, das mit dem Jubilar seit 1939 verknüpft ist, hielt ich in Hamburg auf der 25. TeaP einen scharfen Vortrag über die Fehler, die ich meinte in den Arbeiten erkannt zu haben. In der ersten Reihe des Auditoriums saßen Wiebke Putz-Osterloh und Gerd Lüer, daneben Adolf Otto Jäger aus Berlin. Ich war sehr aufgeregt, trug aber meine Gegenargumente offensichtlich verständlich vor. Zurück in Trier, wurde ich eines morgens von seiner damaligen Sekretärin Bärbel Krafzcyk ins Büro vom Chef beordert – ein Vorgang mit Seltenheitswert und daher beunruhigend. JB hatte einen Anruf von seinem Freund Gerd Lüer erhalten, in dem er den Chef bat, mich etwas zu bremsen. Der Chef konfrontierte mich mit den Vorwürfen, hörte sich meine Argumente an und sagte dann ganz ruhig: „Lieber Herr Funke, das scheint mir korrekt zu sein, was sie vortragen – da machen Sie mal weiter!“. Uff, welche Erleichterung!

Seine Hoffnung, in Trier einen angemessenen Einfluss im dortigen Institut ausüben zu können, wurde schnell enttäuscht. Stattdessen sorgten hohe Studentenzahlen für starke Prüfungsbelastungen, die Intrigen am Institut waren nicht gerade einfach zu durchschauen, die peniblen Herausgeber der Hausreihe „Trierer Psychologische Berichte“ (damals Horst Gräser und Reinhold Scheller) machten ihm strengere Korrekturauflagen als mancher Editor eines renommierten Journals. So kam der Ruf nach Bonn gerade recht. 

Als JB 1984 den Ruf auf die Thomae-Nachfolge in Bonn annahm und uns – Edgar Erdfelder und mich – als seine Assistenten mitnahm, waren wir insgeheim im Zweifel darüber, ob der Chef einen guten Tausch gemacht hatte. Zwar hatte er wesentlich mehr persönlichen Einfluß auf die Institutsgeschicke und vor allem auf den Institutshaushalt, aber dafür war das Institut auch ungleich kleiner und bescheidener ausgestattet. Dazu kam die rheinische Verwaltungsmentalität (der „Kölsche Klüngel“ ist sprichwörtlich und hat sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag). Das geflügelte Wort hierzu aus der Anfangszeit stammte vom Werkstattmeister (ja, den gab es damals!): „Han isch nix mit ze dunn“ (damit habe ich nichts zu tun).

In der Zeit von 1984 – 1992 war JB Mitglied des Fachausschusses Psychologie der DFG und hat sich in dieser Zeit durch zahllose Forschungsanträge hindurchgearbeitet. Dem Gutachterschutz der DFG ist es wohl zu verdanken, dass er trotz seiner kritischen Anmerkungen (stets fair und sachlich) keine guten Freunde verlor, sondern sogar das Vertrauen vieler Kolleginnen und Kollegen auf sich zog, als er in der Zeit von 1990-1992 als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie tätig war.  – Über die Zeit nach meinem Weggang aus Bonn im Jahre 1997 kann ich nicht mehr so viel aus eigener Anschauung berichten. 

Was bleibt in meiner Rückschau festzuhalten? JB ist ein akademischer Lehrer, der mir (und vermutlich allen, die mit ihm zu tun hatten) die Freude an intelligenten (schönen) Theorien vermittelt hat; der uns das Spiel der Statistik vernünftig zu spielen beigebracht hat; der immer schon vor uns in der Institutsbibliothek war und uns dann von den Neuerscheinungen erzählte; der ein enzyklopädisch breites Wissen besitzt; der uns Ruhe und Gelassenheit gezeigt hat, wo wir aufgeregt und ungeduldig waren; der immer der Stärke des Arguments Vorrang gab vor dem Status des Argumentierenden; der die Freiheit von Forschung und Lehre auch für die ihm Unterstellten gelten ließ; der hanseatische Aufrichtigkeit mit preussischer Pflichterfüllung verbindet.

Kurz und bündig: er ist mir in vielen Bereichen ein Vorbild! Lieber Jürgen: Danke für Alles – und „happy birthday“!

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