Mein Parkinson

Schon seit einigen Monaten (seit Herbst 2023) fühlte ich mich wackelig auf den Beinen und merkte, dass mit meiner Handmotorik etwas nicht stimmte: Ich hatte unabsichtlich eine Eistüte zerdrückt, konnte Sushi nicht mehr mit Stäbchen essen, meine Handschrift wurde schlechter. Zunächst fiel der Verdacht auf eine (tatsächlich vorhandene) Halswirbelstenose, durch ein HWS-MRT belegt: Ein eingeklemmter Nerv zwischen HWS 4/5 hätte für manche Symptome verantwortlich sein können. Dann kam einer der Orthopäden auf die Verdachtsdiagnose Parkinson, die sich kurz vor Weihnachten in einem DATscan bestätigte: Meine Dopamin-Rezeptoren im Mittel- und Kleinhirn haben wohl schon vor längerem mit dem Abbau begonnen und sind inzwischen stark reduziert – ich hatte (wie vermutlich die meisten Leserinnen und Leser dieses Blogs) meine substantia nigra nie im Blick. Die Spätfolgen meines Fahrradsturzes von 01/2019 in Verbindung mit meiner seit Geburt bestehenden Verkürzung des rechten Beines haben mich manches motorische Frühwarnzeichen nicht erkennen lassen – jetzt, in der Rückschau, sortiert sich manche Erfahrung anders.

Kurz vor Weihnachten wurde bei mir also Parkinson diagnostiziert (ich denke manchmal, es trifft immer die Falschen – warum nicht Putin oder Trump?). Nach dem ersten Schrecken gewöhne ich mich langsam an den neuen Zustand. Allerdings fühle ich mich zur Zeit motorisch eher eingeschränkt. Anfang März war ich für weitere Diagnostik in der hiesigen Heidelberger Kopfklinik – die L-Dopa-Challenge (ein Test auf Wirksamkeit von Levodopa, einer Vorstufe des Dopamin) habe ich nicht erfolgreich bestanden. Leider gehöre ich daher auch nicht zum idiopathischen Formenkreis des Morbus P. (ich habe z.B. keinen Tremor und kann noch gut riechen), sondern weise eher atypische Symptome auf, die auf kortikobasale Degeneration als derzeitige Verdachtsdiagnose hinweisen – gar nicht gut!

Ein alter Rat aus dem Rheinland hilft mir jetzt weiter: „Et kütt, wie et kütt“ (§2 aus dem Rheinischen Grundgesetz; nichts anderes besagt die Gelassenheitsregel, von manchen als Gelassenheitsgebet bezeichnet, in ausführlicherer Form: „Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die sich ändern lassen, und die Weisheit, das eine vom andern zu unterscheiden“). Hilfreich war für mich u.a. die Lektüre des ermutigenden Buchs von Frank Elstner und Jens Volkmann (2021) „Dann zitter ich halt – Leben trotz Parkinson: Symptome – Behandlung – Perspektiven“. Auch das hier in diesem Blog schon 2017 besprochene Buch des Kollegen Hans-Werner Wahl „Neue Psychologie des Alterns“ ist ein solcher Mutmacher… Und vielleicht habe ich einige kognitive Reserven, die ein schnelles Abgleiten in die Demenz erst mal aufhalten.

Was mir gut tut: Die Unterstützung durch meine Frau! Sie hilft mir in vielen Dingen (und muss mich warnen, wenn ich kognitiv abzudrehen drohe). Auch meine Schwester und meine zwei Söhne gehören zu meinen direkten Unterstützern. Danke dafür! Ob ich es noch schaffe, ein geplantes Alterswerk (Arbeitstitel: „Denken, Sprechen, Handeln“) fertigzustellen – wer weiss das schon? Diesen Blog weiterzuführen ist (nach knapp 1000 Einträgen seit seinem Start 12/2005) ebenfalls beabsichtigt – natürlich würde ich mich riesig freuen, wenn HeiPI (eigentlich als Institutsblog gestartet, HeiPI=Heidelberger Psychologisches Institut, jetzt seit 10/2022 aus pragmatischen Gründen auf meiner privaten Homepage angesiedelt) fortgesetzt werden könnte – wer von den Kolleginnen und Kollegen am Institut (gerne auch jemand aus dem Mittelbau) Lust hat einzusteigen, möge sich bei mir melden!

Einstweilen mache ich unter den gegebenen Einschränkungen erst mal weiter wie bisher… Ein Buchkapitel habe ich gerade abgeschlossen, verschiedene Blog-Beiträge bereits erstellt (die Funktion „Planen“ erlaubt z.B. das Vor-Schreiben eines Beitrags und dessen Veröffentlichung zu einem definierten Datum). Zuversicht heisst die Devise!

4 Antworten

  1. jofu01 sagt:

    Danke für die lieben Worte!

  2. Alex Schubert sagt:

    Lieber Herr Funke,

    mein ganzes Psychologie-Studium am PI hindurch waren Sie mir (natürlich) fachlich, vor allem aber menschlich, ein Leuchtturm und sind es weiterhin!

    Wie Sie wissen, muss ich schon mein ganzes Leben lang mit harten medizinischen Diagnosen umgehen und fühle daher sehr intensiv mit Ihnen!

    Auch habe ich nicht die geringste Spur eines Zweifels daran, dass Sie der neuen Herausforderung mit Würde und Kampfgeist die Stirn bieten.

    Btw.: Spielen Sie Tischtennis? Die Evidenz bei Parkinson ist nicht von der Hand zu weisen:

    https://www.spektrum.de/news/parkinson-der-tischtennis-effekt/2208578#:~:text=Auch%20die%20National%20Parkinson's%20Foundation,Rhythmus%20und%20das%20Gleichgewicht%20st%C3%A4rken.

    Es gibt ein – wie ich finde: Sehr tiefgründiges – Lied von Reinhard Mey („Ficus benjamini“), Zitat:

    „Du kommst hier wieder raus, wirst über Dir den Himmel sehen,
    Über raschelndes Laub auf einem Waldweg gehen.

    Du wirst die Freiheit spüren, die Tür geht wieder auf vor Dir,
    Der Ficus benjamini aber bleibt für immer hier.“

  3. jofu01 sagt:

    Danke, lieber Bernd! Marlene und ich habe ja schon vom Austausch mit Dir (als Pflege-Experte) profitiert – das wollen wir gerne fortsetzen! Jofu

  4. Bernd sagt:

    Lieber Jofu,
    der Defizitorientierung medizinischer Diagnosen setzt Du das Leben und die Ressourcen entgegen. So kenne ich Dich und das ist gut so.
    Ich denke, dass Du noch viele schöne Erlebnisse und Buchprojekte vor Dir hast. Ich freue mich auf den Austausch in den nächsten Jahren mit Dir.
    Rose Ausländers Gedicht scheint mir jetzt besonders passend:
    „Noch
    duftet die Nelke
    singt die Drossel
    noch darfst du lieben
    Worte verschenken
    noch bist du da
    Sei was du bist
    Gib was du hast“

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