Wichtige Wissenschaft

Wie wichtig ist Wissenschaft? Kann man diese Frage ernsthaft stellen? Als Wissenschaftler eigentlich nicht. Und doch scheint ein derartiges Statement nötig: Weltweit sieht sich Wissenschaft politischer Einflussnahme und Repressionen ausgesetzt, nicht nur in den USA, wo im Moment eine fürchterliche, geradezu wissenschaftsfeindliche Situation besteht (aber nicht nur dort – vor einigen Jahren war es die Situation in der Türkei). Ist Wissenschaft vielleicht doch nicht so wichtig?

Meine Antwort (als Wissenschaftler, daher nicht überraschend): Natürlich ist Wissenschaft extrem wichtig für den Fortschritt der Menschheit – vermutlich säßen wir heute noch im Dunkeln, wären gefährlich mit Covid-19 infiziert und würden auch nicht mit Smartphones spielen können, wenn nicht Wissenschaftler tolle Ideen gehabt hätten. Und sie brauchen die Unabhängigkeit, die im Grundgesetz garantiert wird.

Es stimmt schon: auch Kriegswaffen sind von Wissenschaftlern entwickelt worden, mit denen Menschen verletzt oder gar getötet werden. Aber wie bei der Dual-Use-Problematik erkennbar, kann ein Küchenmesser zum Guten oder zum Bösen verwendet werden (an unserer Uni gibt es sogar eine eigene Stelle für dual-use-Erkenntnisse). Nicht das Medium ist schuld, sondern deren Anwender und deren möglicherweise fehlende Moral. Werte (Charakter) spielen in der Wissenschaft schon eine Rolle. Und es müssen nicht immer nur Hardware-Anwendungen bedacht werden; in der Psychologie etwa wurden – für viel Geld – effiziente Foltertechniken entwickelt, auf die wir nicht stolz sein sollten.

Wissenschaft muss sich in die Politik einmischen, etwa in die Klimapolitik, wenn politische Entscheidungen in eine – aus Sicht der Wissenschaft – falsche Richtung laufen, ist Protest nötig. Mich wundert, dass sich nicht mehr Widerstand gegenüber wissenschaftsfeindlichen Maßnahmen in den USA formiert (aber siehe hier den Beitrag von Robert J. Sternberg, einem bekannten amerikanischen Wissenschaftler).

Am besten bringen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler frühzeitig in die gesellschaftliche Diskussion und in die politische Entscheidungsfindung ein. Politikberatung ist hier wichtig, wie sie beispielsweise der Wissenschaftsrat praktiziert.

Ein Problem bleibt natürlich bestehen: Wissenschaftliche Erkenntnisse sind selten unumstritten. Das Wesen guter Wissenschaft besteht ja gerade in Zweifel und Skepsis. Wer felsenfest behauptet, Recht zu haben, argumentiert dogmatisch. Wissenschaft aber ist antidogmatisch. Gerade in der Corona-Pandemie haben sich hierdurch Probleme ergeben. Da ist Ambiguitätstoleranz gefordert. Den Wert wissenschaftlicher Forschungen mindert das nicht.

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