Folter im Namen der Freiheit?

Unter dem Titel „Folter im Namen der Freiheit?“ fand am Mittwoch Abend 11.1.17 eine gut besuchte Veranstaltung zum Thema Folter statt. Eingeladen dazu hatten das Forum Internationale Sicherheit (FIS), die Fachschaft Psychologie unseres Instituts und Amnesty International (Hochschulgruppe Heidelberg). Gekommen waren etwa 250 Studierende, die mit großem Interesse den Ausführungen des Podiums folgten, an einer „Liquid Feedback„-Runde teilnahmen und später auch die Diskussion bereicherten.

Als Kooperationspartner und Diskussionsteilnehmer haben unter der fachkundigen Moderation von Donna Joy Doerbeck teilgenommen: Dr. Vedrin Sahovic von Amnesty International (Koordinationsgruppe gegen Folter), Prof. Dr. Sebastian Harnisch vom Institut für Politische Wissenschaft und vom Psychologischen Institut Prof. Dr. Joachim Funke. Vor und nach der Podiumsdiskussion gab es neben Sekt, Salzstangen und Selters einen Stand mit Petitionen und weiteren Informationen.

Der Amnesty-Vertreter Dr. Vedrin Sahovic machte deutlich, dass Folter nach wie vor ein ubiquitäres Phänomen sei und trotz der UN-Antifolterkonvention, der viele Staaten zugestimmt haben, in über 140 Staaten der Welt gefoltert werden, aus unterschiedlichen Gründen heraus: vermeintliche Informationsgewinnung, Rache, Abschreckung, schlechte Ausbildung der Polizei – um nur ein paar der Gründe zu benennen.  Das Recht, innerhalb kurzer Zeit vor einen Richter geführt zu werden, seine Familie zu informieren und einen Anwalt seines Vertrauens zur Hilfe heranzuziehen, sei ein wirksamer Schutz vor Willkür und Folter.

Der Politikwissenschaftler Sebastian Harnisch machte deutlich, dass Autokratien anders foltern als Demokratien. In Autokratien ist es kein Geheimnis: es kommt zu öffentlichen Auspeitschungen und ähnlichem. Autokratien sind da nicht pingelig. Bei Demokratien ist es anders: Hier steht die Legitimation des Gewaltmonopols immer in Frage und muss rechtlichen Vorgaben genügen. Daher ist in den USA viel juristischer Aufwand (und Geheimhaltung) betrieben worden, angefangen damit dass es nicht „Folter“ heisst, sondern „verschärfte Verhörbedingungen“; weiter, dass man möglichst extra-territorial foltert (Guantanomo); dass die Gültigkeit bestimmter Konventionen bestritten wird (Terroristen sind keine Kriegsgefangenen und daher gelten die Genfer Konventionen nicht).

Für die Psychologie ist das Thema Folter virulent unter dem Begriff „Weiße Folter„, womit vor allem soziale Isolation, sensorische Deprivation, aber auch Methoden wie Waterboarding gemeint sind, die schwerer nachweisbar sind als die blutige „rote Folter“. Die Folterdiskussion ist insbesondere in den USA nach 9/11 für die Psychologie relevant geworden, weil mit dem Hoffman-Report bekannt wurde, dass Psychologen viel Geld (Millionen Dollar) mit der Entwicklung von Foltermethoden verdient haben und die weltweit größte (und sehr einflußreiche) Psychologenorganisation, die American Psychological Association, hier mit der damaligen Bush-Regierung geheime Absprachen zur Aufweichung von Ethikregeln vorgenommen hatte, um die Teilnahme von Psychologen an Foltertätigkeiten zu legitimieren. Ich selbst habe auf die grundgesetzlich verankerte Menschenwürde hingewiesen, die gleich im ersten Satz absolut klar formuliert wird: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Insbesondere mein Kieler Kollege, der Allgemeine Psychologe Prof. Dr. Rainer Mausfeld, hat sich seit vielen Jahren um die Aufklärung dieser Beteiligung von Psychologen an Folter bemüht (siehe z.B. hier oder auch der inzwischen legendäre Youtube-Beitrag „Warum schweigen die Lämmer?“ von ihm)

Insgesamt eine interessante Veranstaltung! Ich selbst war begeistert von der hohen Resonanz unter unseren Studierenden! Kompliment für dieses Interesse am Thema! Nach der Auftaktveranstaltung im letzten November, wo wir den Film „Folter made in USA“ (eine arte-Dokumentation zum Thema) im HS 2 gezeigt haben, ist nun eine starke Präsenz des Themas garantiert, mit der ich sehr zufrieden bin. Natürlich ist der4 Kampf gegen Folter damit nicht gewonnen, aber ein paar mehr Köpfe denken über das Thema nach – und die überwältigende Mehrheit unserer Studierenden denkt kritisch darüber! Das freut mich!

Literatur aus historisch-politikwissenschaftlicher Sicht: Einolf, C. J. (2007). The fall and rise of torture: A comparative and historical analysis. Sociological Theory, 25(2), 101–121. – Greenberg, K. J., & Dratel, J. L. (eds.) (2005). The torture papers. The road to Abu Ghraib. New York: Cambridge University Press. – Lightcap, T. (2011). The politics of torture. New York: Palgrave Macmillan. – Lightcap, T., & Pfiffner, J. P. (eds.) (2014). Examining torture. Empirical studies of state repression. New York: Palgrave Macmillan. – Rejali, D. (2007). Torture and democracy. Princeton, NJ: Princeton University Press.

Literatur aus psychologischer Sicht: Green, D., Rasmussen, A., & Rosenfeld, B. (2010). Defining torture: A review of 40 years of health science research. Journal of Traumatic Stress, 23(4), 528–531. – Mausfeld, R. (2009). Psychologie, ,weiße Folter‘ und die Verantwortlichkeit von Wissenschaftlern. Psychologische Rundschau, 60(4), 229–240. – O’Mara, S. (2015). Why torture doesn’t work: The neuroscience of interrogation. Cambridge, MA: Harvard University Press. – Punamäki, R.-L., Qouta, S. R., & Sarraj, E. E. (2010). Resilience and crime victimization. Journal of Traumatic Stress, 23(4), 532–536.

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