Beim Aufräumen anläßlich unseres Umzugs habe ich einen Beitrag zu einem Science-Poetry-Slam aus dem Jahr 2010 entdeckt (organisiert von der damaligen Fachschaft), über den ich lachen musste. Mein „lürisches“ Ich hat da wohl Purzelbäume geschlagen. Es geht um die sechs Aspekte menschlichen Denkens nach Graumann (1965), die (wegen Prüfungsstoff!) seinerzeit die meisten unserer Studierenden kannten: Vergegenwärtigung, Ordnungsleistung, Innerlichkeit, Selektivität, Entscheidungsleistung und Reflexivität. – Hier ist der Text (am besten laut vorlesen):
Handeln – Handeln – Handeln –
Handeln – Handeln – Handeln – Stop:
Erst Denken, dann Handeln!
Denken – Denken – Denken – Handeln!
Denken – Denken – Denken – Stop:
Was ist denn das bloß? Denken?
–
Das Denken ist des Denkers Lust,
doch denken MÜSSEN, das ist Frust!
Den Frust, den woll’n wir nicht heut abend,
dafür soll’s akademisch labend
ein bisschen sich ums Denken drehen,
so wie Sie’s hier noch nie gesehen.
–
Die Graumann’schen Kriterien,
sechs Stück, wie die Mysterien,
die sind’s, die uns hier interessieren,
doch nur bei Menschen, nicht bei Tieren.
–
1 Vergegenwärtigung
Vergangenheit, die schon geschah,
die Gegenwart – ist gerade da!-,
die Zukunft, die noch nicht geschieht:
drei Zeiten, die der Denker sieht.
–
Im Hirn bloß müde Zellen liegen?
Vergegenwärtigung lehrt fliegen!
Kann ruhig meine Lider schließen
– dahinter können Welten sprießen,
die holde Kraft der Phantasie,
wo stünden wir bloss ohne sie?
–
Vergangenheit lebendig machen,
die Gegenwart analysieren,
die Zukunft gar zu visionieren,
das heisst das Denken voll entfachen.
–
2 Ordnungsleistung
Ordnung ist das halbe Leben,
aber wehe wem’s gegeben
die Dinge auf den Punkt zu bringen
und der Begriffe Keul‘ zu schwingen.
–
Begriffe: das sind schöne Worte,
gefüllt mit Dingen, die an Orte
erinnern, wo der Mensch kapiert,
wie Sprache seine Welt möbliert,
erinnern, wo der Mensch versteht,
dass Ordnung nur mit Sprache geht.
–
„Und triffst Du nur das Zauberwort“,
so fängt die Welt zu singen an.
und hat das Wort genug geträumt,
so ist die Welt bald aufgeräumt.
–
3 Innerlichkeit
Die Innen- und die Aussenwelt
der Denkende zusammenhält.
Und wenn er denkt, kann er kaum handeln,
in seinem Geiste muss er wandeln.
Der Denker richtet sich nach innen,
und will nichts hör’n von seinen Sinnen.
–
Doch ist ein Plan erst ausgedacht,
wird aus dem Plan die Tat gemacht.
Man kann sich mancherlei ersinnen,
doch Handeln kann erst dann beginnen,
wenn frischer Wind ins Denken weht,
wenn innen sich nach außen dreht.
–
4 Selektivität
Und was das beste ist von allem,
das was uns wird so sehr gefallen:
Was ich da denk in meinem Hirn,
zu lesen ist’s nicht auf der Stirn!
–
Es braucht die Blicke, braucht das Wort,
sonst ist der tiefe Sinn bald fort.
Der Denker denkt sich allerlei,
und die Gedanken, die sind frei.
–
Selbst für das beste MRT
sind die Gedanken weisser Schnee,
und setzt man uns zu viele Schranken,
es bleibt die Freiheit der Gedanken.
–
5 Entscheidungsleistung
Doch allen Denkens tief’rer Sinn
läuft auf die Entscheidung hin.
Man denkt nicht einfach, um zu denken
und sich das Großhirn zu verrenken,
–
nein, einmal hat sich’s ausgedacht,
und dann wird ein Beschluss gemacht.
Das Denken führt zu einem Ziel,
und endlich weiß man, was man will!
–
Entscheid und Wahl stehen am Ende,
sie führen zu ’ner großen Wende.
Das Urteil steht, so gut, so weit,
am Ende jeder Denkeinheit.
–
6 Reflexivität
Die Reflexivität, die Hehre,
die gibt dem Menschen seine Ehre.
Der dumme Rechner kann es nicht
der ist wohl doch kein grosses Licht.
–
Der Denker weiss, was er da denkt,
ihm wird auch gar nichts hier geschenkt.
Das Denken wird ihm selbst bewusst,
Gedanken steuern: das macht Lust!
–
Er schaut sich selbst beim Denken zu,
als wär‘ sein Ich so wie ein Du,
und das ist richtig raffiniert.
Das war’s. Nun seid ihr informiert!
–
Denken – Denken – Denken – Handeln!
Denken – Denken – Denken – Handeln!
Denken – Denken – Denken – Stop:
Wo bleibt das Fühlen? Das kommt beim nächsten Mal!
Tschüss!
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