Nach 10jähriger Laufzeit geht die „Internationale Bauaustellung“ (IBA) in Heidelberg unter der Leitung des Architekten und Stadtplaners Michael Braum zu Ende. Die tolle Austellung mit dem großen Stadtmodell und dem riesigen Mobile im Neuen Karlstor-Bahnhof am Marlene-Dietrich-Platz geht heute 26.6.22 zu Ende; ich bin froh, das gesehen zu haben. Die IBA unter dem Motto „Wissen schafft Stadt“ ist vor allem mit ihrer Vision für das Patrick-Henry-Village (PHV) in der Öffentlichkeit bekannt – dabei sind insgesamt 23 (!) Projekte (allesamt südlich des Neckar – wohl kein Zufall!) auf den Weg gebracht worden, nicht alle davon schon abgeschlossen. IBA-Direktor Michael Braum sah sich einigen Widerständen ausgesetzt, sein Abschiedsinterview in der RNZ vom 25.5.22 („gut aufgelegt und wortwitzig“) lässt Frustrationen erahnen.
Mein Lieblingsprojekt der IBA war von Beginn an das „Collegium Academicum“: Die Vision eines selbstverwalteten Wohnheims, das über 250 jungen Menschen (für Studierende, Auszubildende und Promovierende) preiswerten Raum zum Leben und zur Bildung ermöglicht. Das Collegium Academicum trägt seinen Namen nach einem selbstverwalteten Studierendenwohnheim in der Seminarstr. 2 (dem heutigen Carolinum, heute Hauptsitz der Uni-Verwaltung), das 1978 aufgegeben werden musste, aber als Förderverein weiter die Gründungsidee eines Bildungsortes in Selbstverwaltung verfolgte (zur Geschichte des CA siehe: Franziska Meier (2017). Gemeinsam Leben und Lernen. Studentische Selbstverwaltung im Collegium Academicum 1945 – 1985 – 2015. Heidelberg: Econotion Verlag). Der Schriftsteller Rafik Schami, der seinerzeit im alten CA gewohnt hat, spricht in seiner Rückschau auf das damalige CA liebevoll von einer „Gemeinde aus der Zukunft“.
Seit Anfang 2013 (mit IBA-Rückenwind und nach dem Abzug der Amerikaner aus Heidelberg) schreitet das Projekt „Neues Collegium Academicum“ in Rohrbach-Süd voran. Es gibt einen Altbau (für ca. 80 Personen), einen Neubau (für ca. 170 Personen; mit Aula, Garten, Dachgarten, Multifunktionsraum), einen großen Versammlungsplatz und ein Cafe mit Laden. Viele Gemeinschaftsflächen sollen das Zusammenleben und den Austausch untereinander beflügeln; die Ausstrahlung des Vorhabens in den umgebenden Stadtteil ist schon jetzt zu erkennen.
Selbstverwaltung, Teamarbeit, Nachhaltigkeit, Eigenleistung, Bildungszentrum: Alles interessante Konzepte – selbst die Architektur des Neubaus (weitgehend in Holzbauweise) ist mit der Vario-Bauweise (flexible Zimmergrößen/Wohnboxen von 7 bzw. 14 qm) aussergewöhnlich und preisgekrönt. Im Hintergrund steht das Mietshäuser Syndikat, das über 170 Hausprojekte in der BRD fördert und für mehr als 400.000 Menschen bezahlbaren Wohnraum schafft; allein 5 dieser Projekte gibt es in Heidelberg (neben dem CA noch SoKo OBG, 69117 HD; Gemeinwohnglück, 69118 HD; Raumkante, 69126 HD; Hagebutze, 69126 HD).
Gründungsmitglieder des CA sind auch aus den Reihen der Psychologie gekommen (wie ich gehört habe: auch manche der Direktkredite oder der Spenden kommen daher…). Eine der Aktivist:innen der ersten Stunde ist z.B. unsere Absolventin Margarete Over, mit der ich im Sommer 2020 ein Interview in meiner „Oral History„-Reihe auf YouTube geführt habe. Was mir gefällt: Viele der Initiatoren von damals werden aufgrund der Aufnahme-Bedingungen dort gar mehr einziehen können, sind aber weiterhin sehr engagiert (eben nachhaltig!).
Das CA ist für mich ein Ort gelebter Demokratie. So sieht es auch Albertus L. Bujard, Vater der Bürgerbeteiligung und Mitgründer der „Bürgerstiftung Heidelberg„, den ich zufällig bei einer Baustellen-Besichtigung im CA traf. Das Konsensprinzip, das dort für Entscheidungsfindungen genutzt wird, soll alle Beteiligten einbinden, soll alle mitwirken lassen an den gemeinsamen Entscheidungen. Und der Enthusiasmus der jungen Leute, die auf der Baustelle vieles in Eigenleistung erbringen, ist grossartig!