HCE: Holpriger Neustart

Im Jahr 2011 wurde von engagierten Kolleginnen und Kollegen das „Heidelberg Center for the Environment“ (HCE) gegründet, um die vorhandenen Kompetenzen im Bereich der Umweltforschung zu bündeln. Wie toll, das Thema „Umwelt“ an einer Volluniversität wie der Uni Heidelberg breit anzugehen, ein Thema, das die Menschheit beschäftigt und viele junge Menschen (wie z.B. „Fridays for Future„) auf die Strassen bringt. Auch die Wissenschaft engagiert sich erkennbar für dieses Thema („Scientists for Future„). Dass bereits 2011 unsere Uni hier die Vorreiter-Rolle übernehmen wollte: Was für eine grossartige Idee (ich bin als persönliches Mitglied dem HCE beigetreten)! Und wie schade, dass daraus nicht allzuviel geworden ist…(natürlich danke an Sanam Vardag und Max Jungmann für die tolle Arbeit im Hintergrund!). Immerhin könnte (ironischerweise?) das Format der „Heidelberger Brücke“ erhalten bleiben. Im letzten Jahr war das HCE beinah führungslos nach dem Rücktritt des damaligen Direktoriums im Frühjahr 2020. Dazu später mehr.

Erst mal eine gute Nachricht: Das HCE hat ab sofort wieder ein Direktorium! Thomas Rausch als neuer Direktor sowie Jale Tosun und André Butz als seine Stellvertreter haben bei der gerade im Januar 2021 vollzogenen Neuwahl die erforderliche einfache Mehrheit an Stimmen erzielt (71 Mitglieder verzeichnet das HCE derzeit, mindestens die Hälfte davon, also 36 Stimmen, waren nötig, um gewählt zu werden). Gratulation! (Nachtrag 12.2.2021: Am Freitag, den 5.2.2021, hat der Rektor die Ernennungen ausgesprochen – erst jetzt kann es losgehen!)

Die schlechte Nachricht: Von den vier Kandidaten für das „Erweiterte Direktorium“ (je ein Vertreter für jedes der vier Fields of Focus, FoF) haben drei das nötige Quorum nicht erreicht, nur Oliver Friedrich als Vertreter des Field of Focus 2 (FoF2) hat mit 39 Stimmen die Hürde genommen. Die vorgeschlagenen Vertreter für FoF1 (Marcus Koch), FoF3 (Olaf Bubenzer) und FoF4 (Timo Goeschl) verfehlten dagegen die einfache Mehrheit knapp. Warum? Nun: es wurden insgesamt nur 41 Stimmzettel in der auf 3 Wochen verlängerten Wahlperiode abgegeben (nach 14 Tagen, also dem ersten „offiziellen“ Ende der Wahlperiode, waren es nur 34 Mitglieder, die abgestimmt hatten, also weniger als 50% der Mitglieder…). Dabei war die Dringlichkeit eines starken Mandats für die neue Spitze klar angesagt worden. (Nachtrag 16.2.2021: Zum Demokratie-Verständnis des neu gewählten Direktoriums nur so viel (Auszug aus einer Rundmail vom 12.2.2021): „Um zu vermeiden, dass HCE-Mitglieder, die derzeit ihre Schwerpunkte nicht oder nicht mehr am HCE sehen, bzw. zum jetzigen Zeitpunkt in anderen Aktivitäten gebunden sind, durch ihre (möglicherweise gut begründete) Zurückhaltung die weitere Entwicklung des HCE blockieren, haben wir mit der Rechtsabteilung folgendes Prozedere abgesprochen: HCE-Mitglieder können per email den Antrag stellen ihre Mitgliedschaft für 6 Monate ruhen zu lassen (auch ohne Begründung). Nach 6 Monaten wird das Erweiterte Direktorium anfragen, ob weiterhin Interesse an einer aktiven Mitgliedschaft besteht oder nicht. Wir bitten daher zu prüfen, wer von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will und erwarten etwaige Anträge auf Ruhen der Mitgliedschaft bis zum 19.2.2021. Wir vertrauen darauf, dass alle HCE-Mitglieder, die davon NICHT Gebrauch machen, sich bei den bevorstehenden Nachwahlen zum Erweiterten Direktorium beteiligen werden.“ Was ist das für ein Verfahren!).

Was ist da los? Ich habe ja schon vor knapp einem Jahr in meinem Blog über den Rücktritt des damaligen Direktoriums unter der Leitung von Thomas Meier geschrieben. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit des HCE gibt es eben doch ein paar Unterschiede. Während nach außen hin das HCE immer als ein bedeutender Teil der Exzellenzstrategie dargestellt wurde (eine der drei „interdisziplinären Inkubatoren“ bestehend aus (1) Marsilius-Kolleg (MK), (2) Interdisziplinäres Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) und (3) HCE), blieb die Unterstützung des HCE (nach innen) immer hinter derjenigen für die beiden anderen Säulen zurück (nach außen wurde das HCE wiederholt groß herausgestellt, z.B. beim Klimaschutz-Aktionsplan des Heidelberger OB). Zum Beispiel die räumliche Unterbringung: Das IWR hat mit dem Mathematikon eine große räumliche Struktur erhalten, das MK hat ebenfalls in den Marsilius-Arkaden eine Heimat gefunden, einzig das HCE blieb eine weitgehend „virtuelle“ Struktur. Über finanzielle Ausstattungsunterschiede will ich hier nichts sagen, außer dass die Größenordnung des HCE-Budgets gerade mal einen mittleren 6stelligen Euro-Betrag erreicht (man kann sich vorstellen, was damit zu erreichen ist…).

Viel tiefgreifender als diese Äußerlichkeiten scheinen mir Probleme der inhaltlichen Ausrichtung des HCE zu sein. Man braucht sich nur die handelnden Personen anzusehen: Fast alle kommen sie aus dem Teil „rechts des Neckar“ (Uni-Campus INF), „links des Neckar“ sind nur wenige Namen zu finden, aus dem Altstadt-Campus niemand (dass das Psychologische Institut auf der Altstadt-Campus-Landkarte nicht benannt wird, sehe ich gerade – reiner Zufall, oder?). Von wegen „bridging“ und „Brücke„! Damit ist der angedachte Forschungsverbund im Wesentlichen ein Verbund aus Lebens- und Naturwissenschaften. Die Geistes- und Sozialwissenschaften spielen – zumindest im (erweiterten) Direktorium, aber auch auf der im Anhang zur Satzung befindlichen Liste der persönlichen Mitglieder – keine große Rolle mehr. In meinen Augen ein großer Fehler, wenn Umweltforschung ohne den Menschen gedacht wird! Menschen treten nämlich beim Thema „Umwelt“ in mindestens drei Rollen auf: (1) als Verursacher von Umweltveränderungen; (2) als Betroffene von Umweltveränderungen; (3) als change agents bzw. proaktive Gestalter einer nachhaltigen Entwicklung z.B. durch mitigation und adaptation, etwa bei der Bewältigung des Klimawandels – so haben es Lenelis Kruse und ich in einem Beitrag für das in Vorbereitung befindliche „Handbuch Umweltwissenschaften“ geschrieben, das vom HCE herausgegeben werden soll (hier zum Preprint).

Auch die Satzung des HCE wurde auf Drängen des Rektorats neu gestaltet (der Senat hat die neue Satzung am 10. November 2020 im Umlaufverfahren verabschiedet). Es gibt nun nur noch „persönliche“ Mitglieder (vorher konnten auch ganze Institute Mitglied werden), das Direktorium muss vom Rektorat bestätigt werden (ein Verlust an Autonomie, den ich bedauere!).

Ich bin sehr gespannt, wie es mit dem HCE weitergeht – Umweltforschung findet natürlich auch ausserhalb des HCE statt. Aber es wäre schade, wenn die interdisziplinären Ressourcen, die unsere Volluniversität zu bieten hat, nicht ausgeschöpft würden, und HCE-Forschung im wesentlichen naturwissenschaftliche Forschung bliebe. Ob es gelingt, die Kolleginnen und Kollegen aus den Sozial- und Geisteswissenschaften wieder ins Boot zu holen, wird die Zukunft zeigen. Vielleicht gelingt es ja, Mittel aus der neuen, seit 1.1.2021 aktiven Klimaschutzstiftung Baden-Württemberg für interdisziplinäre Projektvorhaben einzuwerben? Ich wünsche dem HCE eine gute Zukunft, denn wir brauchen gute interdisziplinäre Umweltforschung aus allen Bereichen der Volluniversität!

Nachtrag 14.3.2021: Auf einer weiteren Online-Mitgliederversammlung am 11.3.2021 sind Nachwahlen durchgeführt worden, nachdem der erste Wahlgang teilweise „verunglückt“ war. 35 Stimmen waren diesmal nötig – neu aufgenommen als HCE-Mitglieder wurden Johannes Glückler und Friedrike Reents. Die Aufnahme von Lenelis Kruse-Graumann in den Kreis der HCE-Mitglieder fand -knapp- keine erforderliche Mehrheit (unglaublich!). Für das Erweiterte Direktorium wurde die nötige Stimmenanzahl erreicht von Marcus Koch (für FoF1), Friedrike Reents (Fof3) und Timo Goeschl (FoF4). HCE-Direktor Thomas Rausch, dem die Erleichterung über die erfolgreichen Wahlvorgänge anzumerken war, sagte: „Das HCE ist jetzt handlungsfähig – und muss jetzt liefern!“

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