Heidelberger Jahrbücher Online: Band 5 (2020)

Erneut ist ein Band der traditionsreichen „Heidelberger Jahrbücher“ (erster Band: 1808 erschienen) unter der Schirmherrschaft von Michael Wink und mir fertiggestellt worden. Ich zitiere nachfolgend aus unserem Vorwort:

„Im vorliegenden fünften Band der Heidelberger Jahrbücher Online (HDJBO), den die „Gesellschaft der Freunde Universität Heidelberg e.V.“ unter Federführung der beiden Editoren Joachim Funke und Michael Wink herausgibt, haben sich die Autorinnen und Autoren des Bandes diesmal mit dem Konzept der Entwicklung und Strukturbildung in der Wissenschaft als fächerübergreifender Thematik auseinandergesetzt.

Unter dem Rahmentitel „Entwicklung – Wie aus Prozessen Strukturen werden“ geht es um Entwicklungsprozesse im Kleinen (Zellwachstum, Ontogenese, Phylogenese) und im Großen (vom Big Bang zum Universum), die zu Strukturen werden. Entwicklungen im Bereich der Politik (Entstehen und Vergehen von Abkommen im Bereich Handel, Nuklearwaffen, etc.), der Geographie (Plattentektonik), der Psychologie (Ontogenese), der Medizin (Entwicklung von Organen), der Biologie (Baupläne, Phylogenese, Tree of life), des Aufkommens und Verschwindens von Ideen (Philosophie: Trends und Hypes), der Aufstieg und Niedergang politischer Systeme (Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft), der soziale Auf- und Abstieg (Soziologie), sind allesamt Beispiele für diese strukturbildenden Prozesse. Natürlich könnten auch „Fehl“-Entwicklungen (z. B. in der Psychologie: Klinische Störungen, Entwicklungsstörungen; Medizin: Krebs; Soziologie: Korruption) dazu gerechnet werden.

Diese Thematik beleuchten wir im vorliegenden Band aus der bunten Sicht unserer Volluniversität. Zehn Autorinnen und Autoren aus Geistes-, Kultur-, Naturwissenschaften und der Medizin haben ihr Verständnis von strukturbildenden Entwicklungsprozessen aus unterschiedlichen Gesichtspunkten erörtert. Die durchaus disziplinär angelegten Beiträge thematisieren ganz unterschiedliche Aspekte des Rahmenthemas und erzielen damit am Ende eine interessante Perspektivenvielfalt.

  • Bernd J. Diebner (Altes Testament) schildert die Rekonstruktionshypothesen über das Zustandekommen des Alten Testaments und macht deutlich, dass zwar viele Hypothesen im Raum stehen, eine Falsifikation dieser Ideen aber kaum möglich scheint. Die teilweise phantasievollen Hypothesen werden verständlich vorgetragen und mit Vergnügen seziert (Link zum Artikel).
  • Michael Wink (Biologie) betrachtet die Bausteine und universell verbreiteten biochemischen Prozesse des Lebens. Er beschreibt, wie alles Leben auf diesem Planeten auf einer „Urzelle“ beruht (die möglicherweise auch noch von „outer space“ kam). Aus jener Urzelle leiten sich die alle Pro- und Eukaryoten ab, die sich diversifizierten und zu den unterschiedlichen Entwicklungslinien führten. Diese Entwicklungsgeschichte liest sich wie ein Krimi (Link zum Artikel).
  • Claudia Erbar (Biologie) und Peter Leins (Biologie) machen die verschiedenen „-genien“ (Ontogenie, Phylogenie, Hologenie) in der Organismenwelt als strukturbildende Prozesse deutlich. Illustriert mit vielen farbigen Abbildungen lernt man viel über die Entwicklung von Pflanzen, die so herrliche Namen wie z. B. „Johanniskrautblättrige Myrtenheide“ tragen (Link zum Artikel).
  • Matthias Kloor (Angewandte Tumorbiologie) und Magnus v. Knebel Doeberitz (Molekulare Onkologie) machen sich für die evolutionäre Sichtweise auf Krebs stark. Wir lernen dort z. B. dass das Sticker-Sarkom auf eine mehrtausendjährige Geschichte zurückblickt und es einen Hundepatient Null (den „founder dog“) gibt, auf den die Krankheit zurückgeführt werden kann (Link zum Artikel).
  • Hans J. Pirner (Theoretische Physik) beschreibt strukturbildende Prozesse auf atomarer und sub-atomarer Ebene. Zahlreiche Querverweise auf geistes- und sozialwissenschaftliche Parallelen machen den Text auch für Fachfremde lesenswert (Link zum Artikel).
  • Joachim Funke (Allgemeine Psychologie) befasst sich mit psychologischen Erkenntnissen zur Entwicklung von Charakter und zum Entstehen von Werten. Trotz kultureller Unterschiede scheint es einen gemeinsamen Kern menschlicher Werte zu geben (Link zum Artikel).
  • Christel Weiß (Medizin) macht im ersten Teil ihres Beitrags in Form von Empfehlungen deutlich, wie man vom anfänglichen Chaos bei der Suche nach empirischen Regelmäßigkeiten zu geordneten Strukturen fortschreiten kann. Im zweiten Teil gibt sie dann illustrative Beispiele für diesen Übergang (Link zum Artikel).
  • Bernd Jähne (Umweltphysik) macht deutlich, wie wichtig der Austausch von Luft und Wasser an der Meeresoberfläche für unser Weltklima ist. Diffusionsprozesse und Turbulenzen beeinflussen den Transport von Gasen zwischen Meer und Atmosphäre – Prozesse, die sowohl unter schwierigen Bedingungen im Feld wie auch unter Laborbedingungen (am Wind-Wellen-Kanal namens „Aeolotron“) untersucht werden (Link zum Artikel).
  • In einem Kapitel, das ursprünglich nicht geplant war, befasst sich Joachim Funke (Allgemeine Psychologie) mit psychologischen Aspekten rund um die aktuelle Corona-Pandemie. Die dortige Entwicklung weist viele Bezüge zu seinem Heimatfach auf, auch wenn der Wissensstand noch eher aus Fragen als aus Antworten besteht (Link zum Artikel).

Die Publikation als e-Book hat sich bislang bewährt: Sie spart Kosten und ermöglicht dank „open access“ eine größere Verbreitung als die Print-Version. Die ersten vier Bände (Stabilität: Wink & Funke, 2016, Citizen Science: 2017; Mobilität: Funke & Wink, 2018, Schönheit: 2019) haben seit ihrem Erscheinen 2016 fast 19.000 Downloads zu verzeichnen. Natürlich sind Download-Zahlen noch kein Indikator für breitere Wirkung, aber das waren die (deutlich niedrigeren!) Verkaufszahlen der alten Print-Ausgaben auch nicht. Auch diesem nun vorliegenden fünften Band der Heidelberger Jahrbücher Online wünschen wir daher angemessene Verbreitung!

Wem die digitale Ausgabe nicht genügt und ein Exemplar für seinen Bücherschrank wünscht: Dank der guten Zusammenarbeit mit „Heidelberg University Publishing (HeiUP)“ kann von allen Bänden für kleines Geld eine Print-Version „on demand“ hergestellt werden. Wir bedanken uns für die wie immer harmonische Zusammenarbeit beim Team der Universitätsbibliothek unter Leitung von Frau Dr. Maria Effinger, aber auch beim Direktor der Universitätsbibliothek, Dr. Veit Probst, der diesen Weg digitaler Informationsverbreitung seit Jahren fördert, ohne die Print-Welt zu vernachlässigen. Ein besonderer Dank ist erneut unser Cheflektorin Julia Karl (M. Sc. Psychologie) auszusprechen, die in gewohnter Qualität und mit hoher Geschwindigkeit den Publikationsprozess befördert hat.

Wir sind gespannt, wie der neue Band ankommt und wie unser Jahrgangsthema aufgenommen wird. Feedback ist wie immer erwünscht!“

hier geht es zu früheren Jahrbüchern:

– Band 4, 2019: Schönheit: Die Sicht der Wissenschaft

– Band 3, 2018: Perspektiven der Mobilität

– Band 2, 2017: Citizen Science

– Band 1, 2016: Stabilität im Wandel

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