Ombudsperson 2009-2025

Seit Oktober 2009 war ich als Ombudsperson für Geistes- und Sozialwissenschaften ein vom Senat gewähltes Mitglied in der Senatskommission für gute wissenschaftliche Praxis, aus der ich jetzt (Ende August 2025) nach gut 15 Jahren ausscheide.

Vielleicht werden einige jetzt fragen: Wie kann man so lange in einer Kommission bleiben? Ist das nicht verlorene Lebenszeit? Hätte man in dieser Zeit nicht lieber an einem Artikel schreiben sollen? Gibt es nicht ehrenvollere Ämter? Meine Antwort darauf: Diese Kommission ist ohne Übertreibung die beste, der ich in meinem akademischen Leben angehört habe. Warum? Weil alle Mitglieder dieser Kommission sich einig sind darin, für gute wissenschaftliche Praxis zu sorgen und diejenigen zu sanktionieren, die gegen gute wissenschaftliche Praxis (hier die Regeln der DFG) verstoßen! Wir haben viel darüber diskutiert, was akzeptabel ist und was nicht – je nach Wissenschaftskultur konnte die Antwort unterschiedlich ausfallen, aber die Diskussionen in diesem Gremium waren immer bemüht um Standards guter wissenschaftlicher Praxis in den jeweiligen Wissenschaftskulturen und haben mein Gespür für gute Wissenschaft geschärft.

Und natürlich habe ich mit der langen Amtszeit gegen mein eigenes Prinzip verstoßen, wonach Wechsel in den Amtszeiten (z.B. im Rektorat) sinnvoll und nach mindestens 2 Amtszeiten nötig sind (ich konnte nicht loslassen; zu meiner Entschuldigung: Wir sind keine machtausübende Institution) – aber hier in dieser Kommission kann ein Psychologe einfach einen wirkungsvollen Einsatz leisten. Denn: Als Ombudsperson ist es mir immer wieder gelungen, im Vorfeld eines größeren Streits für De-Eskalation zu sorgen und Streithähne zu befrieden. Einige Fälle mussten allerdings im größerem Kreis der Kommission diskutiert und entschieden werden. Die Vorsitzenden der Kommission (qua Amt die jeweiligen Pro-Rektoren für Forschung) haben für gutes Klima gesorgt (Stephen Hashmi, Jörg Pross, Andreas Dreuw), Verena Lallmann hielt als Leiterin der Geschäftsstelle die Fäden stets zusammen, Cornelia Stöcklein gab als Justiziarin der Universität juristischen Rat, die interdisziplinär zusammengesetzten Mitglieder diskutierten sachbezogen, kenntnisreich und fair – danke dafür!

Natürlich repräsentieren die Fälle, mit denen man es zu tun hat, überwiegend schlechte Wissenschaft. Man ist sozusagen als „Reinigungskraft der Forschung“ unterwegs, um den Bodensatz wissenschaftlicher Arbeit – z.B. Fälschungen – aufzudecken und zu bereinigen (z.B. durch Aufforderungen, publizierte Artikel zurückzuziehen; siehe Retraction Watch). Die Standards der DFG (heutzutage verbindlich für eine Institution, die Förderung durch die DFG erhalten möchte) waren und sind hilfreich bei der Beurteilung möglichen Fehlverhaltens. Waren Plagiate in Zeiten von Copy and Paste lange Zeit ein Thema für die Kommission, wird das in Zeiten von ChatGPT anders.

Spektakuläre Fälle wie z.B. der Bluttest-Skandal 2019 haben viele Stunden der Aufklärung bedeutet, aber auch zur Klärung des Sachverhalts beigetragen (siehe auch meinen damaligen Blogbeitrag). Neben solchen spektakulären Fällen war die überwiegende Zahl der Fälle eher unspektakulär. Anhörungen der Beteiligten gewährten Einblick in die Psyche der Akteure, manchmal Blicke in Abgründe, manchmal Blicke in naive Köpfe. Nicht alle „Täter“ oder „Täterinnen“ besaßen Einsicht in das von uns konstatierte Fehlverhalten, andere „haben verstanden“.

Angefangen hatte meine Arbeit in einer Kommission unter Leitung des Historikers Manfred Berg, die den Titelentzug der Doktorabeit der damaligen FDP-Spitzenpolitikerin Silvana Koch-Mehrin im Jahr 2011 beschloss (ich war als Ombudsperson beteiligt) – ich fand es empörend, wie uneinsichtig die damals Beklagte war, die mit mehreren Rechtsanwälten (und Body-Guards) vor der Kommission erschien.

Zur Anzeige gebracht haben die Vorgänge meist Whistleblower (wie im Fall des Heidelberger Historikers Edgar Wolfrum), deren Schutz in den letzten Jahren gestärkt wurde (hier geht es zum Hinweisgeber-Schutzgesetz, kurz: HinSchG). Aber auch Hinweise auf Internet-Plattformen wie PubPeer oder VroniPlag haben einige Fälle ins Rollen gebracht.

Ich werde die Kommission und ihre Mitglieder (nur für Angehörige der Uni HD einsehbar) vermissen! Meinem Nachfolger Dirk Hagemann (er war schon bisher als mein Stellvertreter unterwegs) wünsche ich ebensolche Freude an der Arbeit, wie ich sie hatte!

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