Gefühlt „gerade eben“ (im letzten Jahr) habe ich das Alter von 70 Jahren erreicht, bin ich nunmehr stolze 71 geworden, ohne dass ich viel dafür tun musste! Und ich merke, dass ich alt werde – nicht nur körperlich (wo meine Beweglichkeit rapide abnimmt infolge atypischem Parkinson), sondern auch geistig (ich vergesse -des öfteren- Namen und -selten- Handlungsziele). Geschieht Altern allmählich oder gibt es Schübe? Vermutlich beides… Und bekommt man das eigentlich bewusst mit? Ich fürchte ja…
Jedenfalls wird klar: Die „Nachspielzeit“ hat begonnen! Ich freue mich über die sinnvollen Zeilen, die ich noch schreiben kann (Diktieren -mit anschliessender Kontrolle- ist angesichts der Motorikprobleme meiner Hand nunmehr angesagt), freue mich über jedes Treffen mit Kolleginnen und Kollegen, an dem ich noch teilnehmen kann. Und ich bemerke bei mir eine Tendenz zur Selbstüberschätzung – bei manchen Aktivitäten erinnere ich mich an frühere Zeiten und übersehe dabei nur zu gerne die heutigen Einschränkungen… Es geht eben nicht mehr alles „wie früher“!
Der Verlust an Selbstständigkeit ist gewöhnungsbedürftig: Das Steigen einer Treppe bedarf häufig einer helfenden Hand (danke, liebe Marlene!), selbst auf glatter Ebene ist diese Hand angstmindernd. Wo kommt die Angst her? Von Stürzen, die die Fragilität motorischer Bemühungen schmerzhaft demonstrieren.
Noch vor einigen Jahren haben Marlene und ich auf unseren Wanderungen eine Sturz-Typologie im Scherz erstellt. Hier die verschiedenen Arten zu stürzen:
(1) Rutschi-Flutschi: wenn dem Sturz ein Abrutschen vorausgeht;
(2) Rutschi-Platschi: wie (1), aber Abrutschen ins Wasser;
(3) Holper-di-Stolper: wenn man über eine Wurzel oder einen Stein stolpert;
(4) Bong-Kadong: wenn man erst mit dem Kopf irgendwo gegenstößt und dann umfällt, z.B. in Höhlen (Marlenes Spezialität);
(5) Knall-auf-Fall: z.B. beim Fahrradfahren abrupt gestoppt und durch die Luft geflogen (meine Spezialität).
Die damalige, auf (Rad)-Wanderungen bezogene Liste könnte heute Erweiterungen (Treppenstürze) erfahren… Vor allem Treppen haben inzwischen Signalfunktion für meine Ängste.
Ebenso gewöhnungsbedürftig sind andere Verluste: Mein geliebtes Radfahren entfällt wegen Sturzgefahr komplett (Dreiräder habe ich ausprobiert, sind aber nicht „mein Ding“) – Auto fahre ich schon länger nicht mehr. Handschriftliche Briefe sind nicht mehr möglich, Reisen nur noch in Begleitung. Der Radius wird kleiner: Die Welt liegt mir nicht mehr zu Füßen, ich liege der Welt zu Füßen …
Dass wir nach über einem Vierteljahrhundert Handschuhsheim nun verlassen und nach Dossenheim in eine ebenerdige Wohnung mit Aufzug ziehen, ist ein schmerzlicher Schritt. Aber die vier Stockwerke, die ich früher mühelos in meine Dachstube hochgestiegen bin, werden zunehmend zu einem Problem.
Ich werde älter, aber nicht gesünder. Solange es geht, werde ich mich nicht unterkriegen lassen und versuchen, das Beste aus den noch bestehenden Möglichkeiten herauszuholen.
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