Multimediale Testverfahren

Die vom Leibniz-Institut für Psychologie gerade wieder 2023 neu aufgelegte Liste der Testinstrumente

https://www.psyndex.de/tests/testverzeichnisse/

hat mich an alte Zeiten erinnert, in denen ich davon überzeugt war, dass psychologische Testverfahren verstärkt multimediale Inhalte nutzen sollten. Das tun sie bis heute eher verhalten.

Nach der Entwicklung des Planungstests „Plan-a-Day“ (PAD; Funke & Krüger, 1993, 1995; https://www.psychologie.uni-heidelberg.de/ae/allg/tools/planaday/index.html)

Screenshot PAD Plan-a-Day

habe ich mit Hilfe einer DFG-Förderung den „Skript-Monitoring-Test“ (SMT; Funke, Dilger & Grube-Unglaub, 1996 sowie Funke & Grube-Unglaub, 1993; https://www.psychologie.uni-heidelberg.de/ae/allg/forschun/dfg_smt/manual/index.html) auf den Weg gebracht.

SMT-K Szenenübersicht

In diesem Zusammenhang entstand zudem aus einer studentischen Arbeitsgruppe das „Norderstedt-Adventure“ (NSA; Funke et al., 1997; https://www.psychologie.uni-heidelberg.de/ae/allg/norderstedt/ – das Passwort, das zu Handbuch und Auswertung führt (danke, lieber M.E.): „Das Paßwort für die Episodenauswahl lautet „auswahl“. Alle anderen Paßwortschranken lassen sich mit „zugang“ entriegeln. Danach nicht die Return-Taste drücken, sondern auf das Schloß klicken.“)

Screenshot NSA Norderstedt-Adventure

„Norderstedt“ realisiert übrigens bereits 1995 multiple Entscheidungspunkte innerhalb eines Szenarios – ein Gedanke, den der von mir geschätzte Entscheidungsforscher Gary Klein 2021 in seinen ShadowBoxtrainings aufgreift (hier eines seiner Beispiel-Szenarios).

Drei Anläufe – dreimal multimediale Testverfahren, mit Bezug zum Alltag. Nur eines davon -der PAD- hat als tatsächlich als im neuropsychologischen Reha-Einsatz befindlicher Test überlebt, siehe https://marketplace.schuhfried.com/en/PAD. Die beiden anderen sind als Konzepte entwickelt, aber nicht bis zur Testreife gebracht.

Im Testverzeichnis fehlt übrigens das von Bernd Reuschenbach in dieser Tradition entwickelte Testverfahren „NursePlan“ (http://www.nurseplan.de/) zur Erfassung pflegerischer Entscheidungen, das Gegenstand seiner Dissertation (Reuschenbach, 2008) war. Auf der Seite http://www.nurseplan.de/inaction.html sieht man einige Screenshots, die Demo funktioniert leider nicht mehr.

NursePlan (Reuschenbach, 2008)

Fun: Aus heutiger Sicht wirkt es manchmal eher belustigend, was damals in den 1990er Jahren großen technischen Aufwand für uns bedeutete. Hier zwei Beispiele aus dem videobasierten „Skript-Monitoring-Test“, (1) SMT-Skript „Geld abheben“ mit Herrn F.: https://www.youtube.com/watch?v=4UflC04Fe0E&list=PL736EF6631AEAA940 und (2) SMT-Skript „Spiegeleier kochen“, wieder mit Herrn F., https://www.youtube.com/watch?v=YYQAskVCdcE&list=PL736EF6631AEAA940 Der dramaturgisch leitende Gedanke war: In der neurologischen Reha (z.B. nach einem Schlaganfall) geht es auch darum, im Alltag die richtigen Handlungsabfolgen (Skripte) wieder verfügbar zu haben (in Anlehnung an die Überlegungen von Funke & Glodowski, 1990).

Übrigens entwickeln Max Theisen und ich gerade im HeiAge-Projekt einen Test zum Entscheiden zwischen bestimmten Mobilitätsoptionen (diesmal im Medium „virtual reality“, daher die Abkürzung VRM für „VR-Mobilitätstest“; er ergänzt unseren früheren Paper-Pencil-Test „Multi-Motive Grid Mobility“, kurz MMG-M, siehe Mertens et al. , 2021). Hier ein Auszug aus unseren Berichtstexten:

„Um Mobilitätsentscheidungen zu untersuchen, verwenden wir einen Ansatz der virtuellen Realität (VR). Wir haben ein VR-Spiel entwickelt, in dem die Teilnehmer Ebenen mit steigender Komplexität und Schwierigkeit durchlaufen müssen. In jedem Level muss ein bestimmtes Ziel erreicht werden, aber es gibt eine verschiedene Optionen, wie man diesen Ort erreichen kann, abhängig von den Entscheidungen, die die Teilnehmer treffen. Die Optionen, die gewählt werden können, unterscheiden sich in Bezug auf drei Hauptfaktoren: Zeit, Energie und Risiko. So kann man sich beispielsweise für den sicheren Weg über die Straße entscheiden, indem man an der Ampel wartet, oder man geht ein höheres Risiko ein und spart Zeit, indem man die Straße einfach überquert, ohne zu warten. Ein anderes Beispiel wäre, in einem Wanderszenario einen kürzeren Weg zu nehmen, der steiler und rutschiger ist, oder stattdessen einen Umweg zu wählen, der weniger steil und kräftezehrend ist. Die Levels und Mobilitätsentscheidungen werden so realistisch wie möglich gestaltet, und der Virtual-Reality-Ansatz wird dazu beitragen, ein Erlebnis zu schaffen, das Situationen aus dem Alltag ähnelt. Mit diesem VR-basierten Mobilitätsspiel wollen wir die Unterschiede zwischen Personen unterschiedlichen Alters oder Gebrechlichkeitsgrades im Hinblick auf realistische Mobilitätsentscheidungen untersuchen. Eine erste Version des Spiels ist bereit für Tests.“

So sieht unser „Bahnstadt“-Teil aus (der Screenshot stammt aus einer älteren Vorfassung; es gibt auch einen „Odenwald“-Teil; die Bewegung in der virtuellen Welt erfolgt über Controler, die man in den Händen hält, dafür dienen die links bzw. rechts angezeigten Symbole):

Screenshot VRM VR-Mobilitätstest

Im Text erwähnte Quellen:

Funke, J., Dilger, S., & Grube-Unglaub, S. (1996). Manual zum Skript-Monitoring-Test (SMT). Berichte aus dem Psychologischen Institut der Universität Bonn, 22(1). (PDF)

Funke, J., & Glodowski, A.-S. (1990). Planen und Problemlösen: Überlegungen zur neuropsychologischen Diagnostik von Basiskompetenzen beim Planen. Zeitschrift für Neuropsychologie, 1, 139–148. (PDF)

Funke, J., Golz, D., Reuschenbach, B., Schumacher, P., & Stefer, J. (1997). Norderstedt-Adventure  (NSA) – Ein multimedialer Test zur Erfassung von Planungskompetenz. Psychologisches Institut der Universität Bonn.

Funke, J., & Grube-Unglaub, S. (1993). Skriptgeleitete Diagnostik von Planungskompetenz im neuropsychologischen Kontext: Erste Hinweise auf die Brauchbarkeit des „Skript-Monitoring-Tests“ (SMT). Zeitschrift für Neuropsychologie, 4, 75–91. (PDF)

Funke, J., & Krüger, T. (1993). „Plan-A-Day“ (PAD): Ein Diagnostikum zur Erfassung von Planungskompetenz. Manual zum Programm. Psychologisches Institut der Universität Bonn.

Funke, J., & Krüger, T. (1995). „Plan-A-Day“: Konzeption eines modifizierbaren Instruments zur Führungskräfte-Auswahl sowie erste empirische Befunde. In J. Funke & A. Fritz (Hrsg.), Neue Konzepte und Instrumente zur Planungsdiagnostik (S. 97–120). Deutscher Psychologen Verlag. (PDF)

Mertens, A., Theisen, M., & Funke, J. (2021). Measuring achievement, affiliation, and power motives in mobility situations: Development of the Multi-Motive Grid Mobility. Frontiers in Psychology, 12(765627), 1–15. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.765627 (open access)

Reuschenbach, B. (2008). Planen und Problemlösen im komplexen Handlungsfeld Pflege. Logos.

Reuschenbach, B. (2014). Komplexität simulieren – NursePlan als Simulationswerkzeug zur Messung von Planungskompetenz in der Pflege. IPP-Info, 11, 4–5.

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