Wieder einmal habe ich mir die Missbilligung meines Rektors zugezogen – ich wurde in seinem Auftrag von unserer Justiziarin freundlich darauf hingewiesen, dass die Nutzung meiner dienstlichen Email-Adresse und meiner Zugehörigkeitsangabe zum Psychologischen Institut der Universität Heidelberg auch im Ruhestand nur im Zusammenhang von Aufgaben im Kontext von Forschung und Lehre gestattet seien und ich zukünftig bitte bei Aktionen wie derjenigen zur „Stuttgarter Erklärung“ (hier die 1-seitige Kurzfassung) meine private Email-Adresse nutzen möge. Was folgt, ist eine Rechtfertigung meines Vorgehens, das ich für rechtmäßig halte.
Zum Hintergrund: Seit ca. 1 Jahr engagiere ich mich zusammen mit vielen Wissenschaftlern baden-württembergischer Hochschulen im Kontext der „Scientists for Future“ (S4F) für die Ausarbeitung einer Empfehlung, wie Hochschulen in Baden-Württemberg auf einen Pfad zur Klima-Neutralität gebracht werden können (siehe auch meinen früheren Blog-Beitrag: https://f20.blog.uni-heidelberg.de/2021/10/11/klimaneutrale-hochschulen/). Anfang März 2022 habe ich nun im Auftrag der landesweiten Arbeitsgruppe den Entwurf der „Stuttgarter Erklärung zu klimaneutralen Hochschulen bis zum Jahr 2030“ an die Hochschulleitungen des Landes Ba-Wü per Email verschickt, von meiner dienstlichen Email joachim.funke@psychologie.uni-heidelberg.de aus und unterzeichnet „Mit freundlichen Grüßen, Joachim Funke, i.A. der baden-württembergischen S4F-Regionalgruppen Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Konstanz, Ludwigsburg, Mannheim, Stuttgart, Tübingen, Ulm“ – im Fuß der Email an die Rektoren stand zusätzlich meine Signatur „Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Funke, Psychologisches Institut, Universität Heidelberg, https://www2.psychologie.uni-heidelberg.de/person/joachim-funke“. Ist das zu rügen?
Hat die Aktivität bei S4F dienstlichen Charakter? Nun, zumindest meine Forschung und meine Lehre sind davon direkt betroffen! Zur Forschung: ich empfehle einen Blick in folgende meiner neueren Arbeiten mit Bezug zu Nachhaltigkeit:
- Kruse, L., & Funke, J. (in Druck). Umweltpsychologie. In F. Keppler, U. Mager, T. Meier, U. Platt, & F. Reents (Hrsg.), Umwelt interdisziplinär. Grundlagen – Konzepte – Handlungsfelder. Heidelberg University Publishing. [hier online: https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/31082/]
- Funke, J. (2021). It requires more than intelligence to solve consequential world problems. Journal of Intelligence, 9(3), 38. doi: 10.3390/jintelligence9030038
- Stocker, K., & Funke, J. (2019). How we conceptualize climate change: Revealing the force-dynamic structure underlying stock-flow reasoning. Journal of Dynamic Decision Making, 5, 1. doi: 10.11588/jddm.2019.1.51357
- Funke, J. (2018). ‚Wie soll man da durchblicken?‘ Psychologische Aspekte einer Nachhaltigkeitsbildung. In T. Pyhel (Hrsg.), Zwischen Ohnmacht und Zuversicht? Vom Umgang mit Komplexität in der Nachhaltigkeitskommunikation (pp. 49-57). München: oekom.
Übrigens halte ich auch Vorträge zum Thema „Nachhaltigkeit“, den letzten vom Dezember 2021 führe ich hier mal an (mehr findet man in meiner Liste):
Funke, J. (2021). Klimawandel als Problem kollektiven Entscheidens. Vortrag gehalten auf Einladung des Ökumenischen Instituts und Wohnheims der Universität Heidelberg, Heidelberg, 7.12.2021.
Zur Lehre: Im kommenden Sommersemester 2022 halte ich (ehrenamtlich) eine Pflicht-Vorlesung für unsere Masterstudierenden mit dem Titel „Adaptive Kognition“. Eines der zentralen Themen wird natürlich „Nachhaltigkeit“ sein, denn die Adaptivität der menschlichen Spezies verlangt eine Erhaltung ihrer Lebensgrundlagen. Darüber wird zu reden sein. Große gesellschaftliche Herausforderungen setzen große Kraftanstrengungen voraus. Gerade Exzellenz-Unis wie die in Ba-Wü sollten eigentlich zeigen, dass Exzellenz und Nachhaltigkeit unabdingbar zusammengehören .
Also: Ich halte das Engagement dafür, den Hochschulleitungen einen Pfad zu klimaneutralen Hochschulen aufzuzeigen, nicht für eine private Angelegenheit des Pensionärs Joachim Funke, sondern für eine auch gesetzlich gebotene Aktivität eines Psychologie-Professors im Ruhestand, der sich Gedanken über Verhaltensänderungen macht. Im übrigen habe ich im Juli 2017 das Thema „Nachhaltigkeit“ auf der Tagesordnung der gemeinsamen Sitzung von Universitätsrat und Akademischem Senat der Uni Heidelberg gesehen (siehe meinen damaligen Blog) – Privatsache? Wohl kaum! Die Kolleginnen und Kollegen der S4F, die den Entwurf massgeblich im letzten Jahr gemeinsam entwickelt haben, sind allesamt Fachleute auf Ihrem Feld – eigentlich müsste die Reaktion auf einen derartigen Impuls anders ausfallen als durch die Missbilligung von Dienstwegen oder der Nutzung dienstlicher Emailadressen. (Ich habe übrigens inzwischen von Rektoraten gehört, die unsere „Blaupause“ begrüßt haben…)
Gesetzlich gebotene Aktivität eines Psychologie-Professors? Nun ja, mit unserem Impuls an die Hochschulleitungen wollen wir die Rektorate impulsgebend unterstützen, da diese laut LHG § 6 Abs. 3 Ziff. 17 die Verantwortung tragen für die „strukturelle organisatorische und verfahrensmäßige Verankerung des Klimaschutzes innerhalb der Hochschule als Einrichtung unter Berücksichtigung rechtlicher Klimaschutzvorgaben“, wovon bislang allerdings wenig zu merken ist. Daher unser Anstoß. Natürlich liegt es in der Entscheidung der Rektorate, welche Strategie sie einschlagen. Da am 6. Oktober 2021 die Novelle des Klimaschutzgesetzes in Baden-Württemberg beschlossen worden ist, gibt es gesetzliche Vorgaben: Das ehrgeizige Ziel des Landes ist es, die Landesverwaltung einschließlich der Hochschulen bis 2030 „netto-treibhausgasneutral“ zu organisieren (KSG BW §7) – ehrgeiziges Ziel, immerhin haben wir schon das Jahr 2022! Und war es nicht die Hochschul-Rektoren-Konferenz (HRK), die seinerzeit (zunächst 2009 unter dem Titel „Hochschulen für nachhaltige Entwicklung“, später 2018 unter dem Titel „Für eine Kultur der Nachhaltigkeit„) im Juli 2021 eine „Hamburger Erklärung“ verabschiedet haben?
Zusammenfassend: Ich werde wohl auch weiterhin in meiner Rolle als pensionierter Professor (als „Bekenner“) tätig sein! Auch im Ruhestand verfolge ich professorale Dienstaufgaben, allerdings „entpflichtet“, d.h. auf freiwilliger Basis. Ich halte die Rüge nicht für angemessen. Zum Inhalt der „Stuttgarter Erklärung“ – dem eigentlichen Anliegen also – komme ich in einem späteren Beitrag. Darum sollte es doch eigentlich gehen…