Masterplan Im Neuenheimer Feld/Neckarbogen: Auftaktveranstaltung

Die Universität Heidelberg hat ihre zahlreichen Institute auf verschiedenen „Campi“ verteilt: Im Altstadt-Campus sowie im Campus Bergheim sind überwiegend Geistes- und Sozialwissenschaften links des Neckars untergebracht. Der rechts des Neckars gelegene Campus „Im Neuenheimer Feld“ (INF) beherbergt große Teile der Naturwissenschaften, der Medizin und Großforschungseinrichtungen wie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) oder das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Im Neckarbogen sind auch der Zoo, die Jugendherberge sowie Sportanlagen (z.B. Olympia-Stützpunkt) untergebracht.

Betrachtungsraum Masterplan INF (zum Vergrößern anklicken)

Betrachtungsraum Masterplan INF (zum Vergrößern anklicken)

Die Verkehrserschließung für täglich 25.000 Studierende, Mitarbeitende, Patientinnen und Patienten sowie deren Besucher ist seit vielen Jahren zwischen Stadt und Universität strittig. Bislang erfolgt der ÖPNV über Busse. Der Rektor wünscht eine 5. Neckarbrücke, gegen die Naturschützer und Anwohner aus Wieblingen protestieren. Gegen den Planfeststellungsbeschluß zum Bau einer Straßenbahn im Neuenheimer Feld haben Universität, Klinikum, DKFZ und MPI erfolgreich geklagt. Das Verwaltungsgericht Mannheim (VGH) gab im Juni 2016 der Klage der Universität recht: Gerügt wurde, dass sich das Regierungspräsidium Karlsruhe gegenüber den Argumenten der Uni weitgehend verschlossen habe. Auch sei keine Alternativroute geprüft worden. Vor allem aber habe sich das Regierungspräsidium über das „tatsächliche Ausmaß der nachteiligen Wirkungen“ für die bestehenden und möglichen neuen Forschungseinrichtungen der Uni „selbst keine Gewissheit verschafft“ (die Uni befürchtet z.B. Störungen von Meßeinrichtungen durch Vibrationen).

Neben den Verkehrsproblemen sind vor allem bauliche Aspekte wichtig: Wohin kann die Universität expandieren, wenn weitere Bauvorhaben nötig sind? Auf dem Campus INF gibt es schon jetzt wenig Restflächen, selbst manche heute noch bestehende Freifläche ist längst verplant. Der Masterplan soll weit in die Zukunft reichen und muss daher Vorsorge auch für solche Gebäude treffen, an die heute noch nicht gedacht wird, weil der Bedarf vielleicht erst in 20 Jahren auftritt. Die Handschuhsheimer Felder (nördlich des Klausenpfads) – so befürchten jedenfalls einige – könnten dafür ins Auge gefasst werden. Allerdings sind sowohl der Naherholungswert dieser Grünflächen sehr hoch wie auch die landwirtschaftliche Nutzung sehr wichtig, die in heutiger Zeit immer wertvoller erscheint. Hier prallen Interessen unter dem Stichwort „Spitzengemüse versus Spitzenforschung“ scheinbar unvereinbar aufeinander und haben verhärtete Fronten geschaffen.

Um diesem unglücklichen Zustand abzuhelfen, hat der Gemeinderat der Stadt Heidelberg beschlossen, gemeinsam mit dem Land und der Universität ein Masterplanverfahren durchzuführen, das bis Ende 2019 einen Rahmenplan vorlegen soll, der von allen Beteiligten konsentiert und vom Gemeinderat beschlossen wird. Verschiedene Gremien sind hieran beteiligt (ich will sie nicht alle aufzählen – wenn man die Grafik mit der Struktur zeigt, bricht manchmal Gelächter aus…). Komplexitätsreduktion sieht anders aus. Schon die schiere Menge von 82 Mitglieder des „Forums“, die allesamt verschiedene Interessen vertreten, zeigt die Problematik einer verbindlichen Zielfindung.

Im Winter 2017 hat mich der Rektor gebeten, die Interessen der Universität im Koordinierungsbeirat (KoBe) zu vertreten. Der KoBe ist Teil einer komplexen Struktur, mit der die Entwicklung der Universität in den nächsten Jahrzehnten befördert werden soll. Hier ein Auszug aus der Rahmenvereinbarung zwischen dem Land Baden-Württemberg, der Stadt Heidelberg und der Universität Heidelberg:

„Ziel des gesamten Verfahrens ist, neue Entwicklungsperspektiven für die Universität, das Universitätsklinikum, das Deutsche Krebsforschungszentrum, die Max-Planck-Institute und weitere wissenschaftliche Forschungs- und Lehreinrichtungen zu schaffen. Dazu ist in einem öffentlichen Planungsdiskurs unter Einbeziehung von Fachplanern, Bürgerschaft, Nutzern des Gebietes und Politik sowie unter Würdigung der öffentlichen und privaten Belange ein strategisches Konzept für die räumliche und stadtplanerische Entwicklung des Sondergebiets „Im Neuenheimer Feld“ für Wissenschaft, Lehre und Forschung von internationalem Rang zu erarbeiten. Das Konzept soll auch Gebiete für Wirtschaftsunternehmen sowie öffentliche und soziale Infrastruktur umfassen.“

Nun hat am 11.4.2018 die insgesamt 5stündige Auftaktveranstaltung zur Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden. Auf einem Infomarkt sind in der ersten beiden Stunden von den verschiedenen Akteuren Gedanken zur Zukunft vorgestellt werden. Ausserdem wurden nochmals Hintergrundinfos zum Beteiligungsverfahren gegeben sowie ein Impulsvortrag gehalten, der die Zuhörer inspirieren sollte, die dann startenden Planungsteams mit Fragen zur Klärung auszustatten. Oberbürgermeister Würzner, Baubürgermeister Odszuck, Rektor Eitel (per Videostatement eingespielt), die Ko-Vorsitzende des Koordinierungsbeirats Lenelis Kruse-Graumann (zusammen mit Albertus Bujard) und die Moderatoren des Abends (Ursula Stein und Joachim Fahrwald) begrüßten die zahlreichen Anwesenden (>300) in der Sporthalle INF 700.

Der anregende wie provozierende Impulsvortrag wurde von Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Präsident des „Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie“ gehalten. Unter dem Titel „Horizont 2050+: Nachhaltigkeit, Campus, Städtebau, Mobilität“ hat er das Fenster in die Zukunft weit geöffnet und der Stadt Heidelberg nicht nur zu diesem sehr besonderen Beteiligungsverfahren gratuliert, sondern auch die einmaligen Chancen betont, am Beispiel des Neuenheimer Feldes zukunftsweisende Modelle des Zusammenlebens von Stadt und Universität vorzuführen und zu erproben. Eines seiner Kriterien war die „Enkeltauglichkeit“: Was werden unsere Enkelkinder wohl dazu sagen, dass wir momentan alles auf motorisierten Individualverkehr ausrichten (um die 1.5 Tonnen schwere Kisten, die meist 1 Stunde am Tag meist 1 Person von A nach B bewegen und ansonsten auf einem Parkplatz stehen; wieviel Geldvermögen dort auf der Strasse steht, wagt man gar nicht zu berechnen).

Die Angst, am heute Bestehenden etwas aufgeben zu müssen, ohne genau zu wissen, was danach kommt, ist eine Innovationsbremse – unsere Rationalität, so Schneidewind, findet viele gute Argumente für den Status Quo. Das zu durchbrechen wurde in Kleingruppen versucht, die zu klärende Fragen für die ab Sommer startenden Planungsateliers vorbereiten sollten.

Auch wenn die konkreten Ergebnisse der Auftaktveranstaltung noch nicht bekannt sind: Der schwierige Prozeß ist in Gang gekommen! Eines der wichtigsten Ergebnisse des Abends: Erfolg kann sich nur einstellen, wenn gegenseitiges Vertrauen und Respekt voreinander bestehen. Ich bin gespannt auf den weiteren Gang der Dinge und werde sicher wieder berichten.

mehr zum Masterplan auf den Seiten der Stadt Heidelberg

RNZ vom 13.4.18: „Das ‚Abenteuer Masterplan‘ hat begonnen

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