Hoffman-Report der APA

(Click to download the Hoffman report)

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Die weltgrößte Psychologenvereinigung APA (American Psychological Association) stand schon länger im Verdacht, an Foltertechniken im Zuge des Terroranschlags vom 9/11 beteiligt zu sein. Ich habe bereits im Jahre 2009 in meinem Blog darüber berichtet (siehe hier). Nun ist mit dem gerade erschienenen Hoffman-Report (benannt nach dem Anwalt David Hoffman und seinem Team von der Anwaltskanzlei Sidley Austin, der im Auftrag der APA das unabhängige Gutachten erstellt hat; Download des Reports hier) aus der Vermutung traurige Gewissheit geworden, dass im Zuge von 9/11 die Ethik-Richtlinien der APA auf Wunsch der Bush-Administration so unscharf gehalten wurden, dass Folter als legale Option für unsere Disziplin galt.

Der Hoffman Report ist grossartig in seiner Gründlichkeit – alle Ecken und Winkel der APA werden dabei ausgeleuchtet. Kein Name wird verschwiegen, auch unserer Honorarprofessor Robert Sternberg, APA Präsident 2003, wird erwähnt (p. 53): „Sternberg was uncooperative with the investigation; he begrudgingly and briefly spoke to Sidley and denied ever giving a presentation to the CIA or visiting the CIA“. Kein Zahlungsfluss blieb ungeprüft. Das ist für mich eine gute Botschaft: so gründlich wie die Hoffman-Truppe vorgegangen ist, so sollte man solche Sümpfe aufklären und trockenlegen.

In einer Pressemitteilung vom 10.7.15 (siehe http://www.apa.org/news/press/releases/2015/07/independent-review-release.aspx) entschuldigt sich der gegenwärtige APA-Vorstand mit folgenden Worten: „… The conclusions of the Independent Review report are deeply disturbing. Mr. Hoffman found evidence of an ongoing pattern of collusion between a small group of APA representatives and the Department of Defense. The Hoffman report states that the intent of the individuals who participated in the collusion was to „curry favor“ with the Defense Department, and that may have enabled the government’s use of abusive interrogation techniques. … The Hoffman report clearly writes a difficult chapter in our organization’s history.  We sincerely apologize for the actions, policies and lack of independence from governmental influence detailed in the report.  Our members, our organization, our profession, and the public expected and deserved better. “

Es ist erfreulicherweise nicht bei dieser Entschuldigung geblieben – die ersten personellen Konsequenzen in der APA-Geschäftsstelle wurden vollzogen. In einer Mitteilung vom 14.7.15 an die APA-Mitglieder heisst es: „The APA Board of Directors today announced the retirement of Dr. Norman Anderson, who has served as Chief Executive Officer of the organization since 2003. … The Board also announced the August 15, 2015 retirement of Deputy Chief Executive Officer Michael Honaker. … The APA also announced that Rhea K. Farberman, APA’s Executive Director for Public and Member Communications has resigned, ending her 22-year tenure with the Association on July 31, 2015.“. Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden des Reports wurde Stephen Behnke, Deputy Director of Ethics, fristlos entlassen.

Die Präsidentin der „Deutschen Gesellschaft für Psychologie“, Prof. Dr. Andrea Abele-Brehm, hat in einer heute (15.7.15) erschienenen Stellungnahme klare Worte gefunden: „… die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) hat mit tiefer Enttäuschung zur Kenntnis genommen und bedauert sehr, dass die APA die Beteiligung von Mitgliedern an Folterprogrammen der CIA gestützt und gedeckt hat. Entsprechend ihrer ethischen Grundsätze lehnt die DGPs jede Folter und sonstige Schädigung anderer Menschen ab und distanziert sich von derartigem Missbrauch psychologisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die DGPs begrüßt die am 10. Juli 2015 von der APA veröffentlichte Entschuldigung als einen wichtigen Schritt im Zuge der Aufklärung der Ereignisse.“

Doch bevor wir Stab über die die amerikanische Verquickung von Psychologie und Militär brechen, sollten wir unsere eigene Vergangenheit nicht vergessen (Dank an Jochen Musch für den Hinweis): Unsere (inzwischen nicht mehr gültige Diplomprüfungsordnung Psychologie hat ja auch keine ehrenvolle Geschichte.  Auf der Seite http://www.sgipt.org/gesch/psych/diplom41.htm ist zu lesen: „1940 konstituierte sich eine Kommission mit Vertretern der DGfPs, der Wehrmachtpsychologie, der Arbeitspsychologie, der Psychotherapie und der Lehrerbildung, die einen Entwurf für eine Diplom-Prüfungsordnung ausarbeitete. Kroh als Vorsitzender der DGfPs und Simoneit als leitender Wehrmachtpsychologe spielten dabei die entscheidende Rolle. In seinen wesentlichen fachlichen Teilen wurde der im September 1940 dem Ministerium überreichte Entwurf dort übernommen. Eine Vorprüfung
erfolgte danach in Allgemeiner Psychologie, Entwicklungspsychologie, Charakterkunde und Erbpsychologie, Ausdruckspsychologie, Philosophie und Weltanschauung sowie in den biologisch-medizinischen
Hilfswissenschaften Biologie, Physiologie, medizinische Psychologie und Psychopathologie. Die Hauptprüfung enthielt Diagnostik, Angewandte Psychologie, Pädagogische Psychologie sowie Kultur- und Völkerpsychologie.“

Und interessant: auf den ersten Seiten des Hoffman-Reports wird die Geschichte der (amerikanischen) Psychologie und ihre Verbindung zum Militär nioch einmal in groben Umrissen zusammengefassend dargestellt. Offensichtlich sind große Mengen an Dollar in entsprechende Forschung geflossen. In Zeiten Drittmittel-orientierter Forschung (mehr als die Hälfte des Budgets der Uni Heidelberg stammt inzwischen aus dritter Hand!) sollten wir wachsam sein, welche Effekte eine deartige Aussensteuerung von Wissenschaft hat. Was tun Forscher nicht alles für Geld, Anerkennung und Ruhm! Wir sind nicht einfach nur Zuschauer des APA-Skandals…

Nachtrag 4.8.15: Kritische Leser (Danke, Morten!) haben mich auf die klaren Worte der amerikanischen Medizinervereinigung AMA hingewiesen, die in bezug auf Folter sehr deutliche Worte gefunden hat (Quelle):

„Physicians must oppose and must not participate in torture for any reason. Participation in torture includes, but is not limited to, providing or withholding any services, substances, or knowledge to facilitate the practice of torture. Physicians must not be present when torture is used or threatened.

Physicians may treat prisoners or detainees if doing so is in their best interest, but physicians should not treat individuals to verify their health so that torture can begin or continue. Physicians who treat torture victims should not be persecuted. Physicians should help provide support for victims of torture and, whenever possible, strive to change situations in which torture is practiced or the potential for torture is great.“

Vorbildlich! Und es zeigt, dass unsere amerikanischen Psychologen-Freunde anders als ihre medizinischen Collegas blamabel eingeknickt sind, obwohl es möglich gewesen wäre, einen klaren Standpunkt zu vertreten!

Nachtrag 14.8.15: Das Council der APA hat als Reaktion auf den Report eine klare Resolution verfasst, die da lautet: „During our annual convention in Toronto last week, the Council voted overwhelmingly to prohibit psychologists from participating in military and national security interrogations in settings that operate outside the protection of the U.S. Constitution and military law. The measure passed by a vote of 157-1, with 6 abstentions and 1 recusal. The resolution

states that psychologists “shall not conduct, supervise, be in the presence of, or otherwise assist any national security interrogations for any military or intelligence entities, including private contractors working on their behalf, nor advise on conditions of confinement insofar as these might facilitate such an interrogation”;

redefines the term “cruel, inhuman or degrading treatment or punishment” (CIDTP) in the 2006 and 2013 Council resolutions in accordance with the UN Convention Against Torture (rather than with the Bush administration’s misused U.S. Reservations to this treaty) to ensure it provides protections to everyone, everywhere, including foreign detainees held outside of the United States;

urges the U.S. government to withdraw its understandings of and reservations to the UN Convention Against Torture in keeping with the recent recommendation of the UN Committee Against Torture;

clarifies that the UN Committee Against Torture and the UN Special Rapporteur Against Torture would serve as the authorities for determining whether certain detention settings would fall under the purview of the 2008 petition resolution as operating outside of the U.S. Constitution or international law; and

ensures that federal officials will be informed of the expanded APA human rights policy, while stipulating prohibited detention settings and requesting that psychologists at these sites be offered deployment elsewhere.“

Na alo! Geht doch!

Nachtrag 18.8.2017: Ein erster Prozeß gegen die Hauptverantwortlichen wurde mit einem Vergleich abgeschlossen, nachzulesen hier: https://www.aclu.org/news/cia-torture-psychologists-settle-lawsuit. Es ist das erste Mal, dass überhaupt ein Verfahren in dieser Sache zugelassen wurde! Die Anklage bezog sich auf „torture; cruel, inhuman, and degrading treatment; nonconsensual human experimentation; and war crimes“. Den vorletzten Punkt – nonconsensual human experimentation – finde ich aus Sicht eines empirisch arbeitenden Psychologen interessant: Wann ist ein Experiment „nonconsensual“?

Nachtrag 6.9.2017: Ein Artikel in einer amerikanischen Fachzeitschrift über den Skandal wurde um ein Haar zurückgezogen – nun bleibt er doch im Journal, aber die Herausgeber sprechen eine Warnung an potentielle Leser aus: http://retractionwatch.com/2017/09/05/amid-legal-battle-psych-journal-issuing-caution-torture-paper/

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