Auf dem World Economic Forum in Davos trafen sich vom 20.-23.1.2016 wieder einmal Regierungschefs und Wirtschaftsführende, Wissenschaftler und Journalisten, um über aktuelle globale Fragen zu diskutieren und nach Lösungen zu suchen. Für einen Problemlöseforscher wie mich natürlich eine spannende Sache: Welche Probleme werden dort als die wichtigsten unserer Zeit erachtet und welche Lösungsmöglichkeiten werden diskutiert? Sozusagen „complex problem solving“ in einem naturalistischen Kontext (ja, ich weiss: da wird auch viel inszeniert, aber Inszenieren: das machen wir Psychos ja auch in unseren Laboren).
Für mich eine der wichtigen Botschaften aus Davos: Wir sind mit unseren Themen in der Heidelberger Kognitionsforschung auf dem richtigen Weg! Unter dem Titel „The 10 skills you need to thrive in the Fourth Industrial Revolution“ (ein Exzerpt aus dem Bericht „The Future of Jobs„) werden für das Jahr 2020 auf den ersten drei Plätzen genannt: (1) complex problem solving, (2) critical thinking, und (3) creativity.
Wow! Genau dieses Triumvirat haben wir hier in meiner Arbeitseinheit seit einigen Jahren zu unserem Kernthema gemacht! Dass hier Politiker und Wirtschaftslenker zu einer solchen Bewertung kommen, freut mich natürlich sehr! Ich denke, dass dies auch ein Ergebnis der weltweiten PISA 2012 „Problem Solving„-Erhebung ist.
„Complex Problem Solving„: das ist ein Zauberwort, das unser Ehrendoktor Dietrich Dörner massgeblich mitgeprägt hat und zu dem verschiedene Facetten gehören: Neben der Komplexität auch Intransparenz, Vielzieligkeit und Dynamik einer Situation, die den Akteuer vor jeweils besondere Herausforderungen stellen. In seiner „Logik des Misslingen“ hat Dörner im Detail die Fallstricke beschrieben, die aus den verschiedenen Facetten resultieren können und die uns zu fehlerhaftem Handeln treiben. CPS ist immer schon wichtig gewesen, weil die bequemen Routinen durch den „wind of change“ natürlich oft hinfällig werden und wir neue Aktionen planen und lernen müssen. „Life-long learning“ ist ein Begriff, der das gut verdeutlicht.
„Critical Thinking“ haben wir auch gerade letzten Sommer in Diskussionen mit dem japanischen Erziehungsministerium ins Zentrum gerückt (siehe meinen damaligen Blog-Eintrag). In einer Welt, in der das Finden von Information scheinbar leicht gemacht wird (Google liefert Tausende von Treffern, meist wird nur die erste Seite der Trefferliste genauer betrachtet), ist die viel wichtigere Kompetenz heute das Bewerten derartiger Informationen: Ist die Information glaubwürdig? Welche Verzerrungen könnten bestehen? Ob Hotelbewertung, Medikamenten-Empfehlung oder tagesaktuelle Geschehnisse (Kölner Silvesternacht): Sind die zu findenden Berichte faire Darstellungen oder versuchen sie uns zu manipulieren?
Kreativität ist ein Konzept, das in der Wirtschaft vor allem in seiner angewandten Form, der Innovation, von großer Bedeutung ist. Weltkonzerne wie Apple haben mit innovativen Konzepten (schon in den 1980er Jahren Tisch-Rechner für alle; Musik zum Mitnehmen: iPod; usw.) einen profitablen Weltmarkt geschaffen. Nur wer neue Produkte entwickelt, kann mithalten. Das große „Aber“: Auch wenn alle von Kreativität träumen, ist es alles andere als einfach, kreative Lösungen zu entwickeln und umzusetzen. Wernn es so einfach wäre, bräuchten wir nicht so viele Trainer und Workshops zu diesem Thema (siehe auch meine früheren Blog-Einträge zu „creative milieus“ bzw. „verordneter Kreativität„).
Summa summarum: Ich sehe ein paar bestätigende Signale dafür, dass wir uns in meiner Arbeitsgruppe mit den richtigen Konzepten befassen (und ein paar weitere Themen wie z.B. Weisheit und Werte auf dem Schirm haben, die noch nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen). So eine Aussenperspektive ist für mich wichtig, damit man nicht nur im eigenen Saft schmort. Bei aller Kritik an dieser Veranstaltung: Danke, Davos!