Marsilius-Vorlesung „Wissenschaft als Berufung“

Jutta Allmendinger

Jutta Allmendinger

Unter dem Titel „Wissenschaft als Berufung? Karrieren im Wissenschaftssystem des 21. Jahrhunderts“ fand am 3.2.2016 die 16. Marsilius-Vorlesung von der Soziologin Jutta Allmendinger in der Aula der Alten Universität statt. Jutta Allmendinger, 1956 in Mannheim geboren, ist seit 2007 Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) und Professorin für Bildungssoziologie und Arbeitsmarktforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Passend zu Heidelberg bezog sie sich unter anderem auf die fast 100 Jahre alte Schrift des Heidelberger Soziologen Max Weber von 1917 unter dem Titel „Wissenschaft als Beruf„. Am Beispiel ihrer eigenen akademischen Biografie verdeutlichte sie die Ungewissheit und schlechte Planbarkeit einer wissenschaftlichen Karriere, von der Max Weber sagte: „… ob es einem solchen Privatdozenten, vollends einem Assistenten, jemals gelingt, in die Stelle eines vollen Ordinarius und gar eines Institutsvorstandes einzurücken, ist eine Angelegenheit, die einfach Hazard [fett von JF] ist. Gewiß: nicht nur der Zufall herrscht, aber er herrscht doch in ungewöhnlich hohem Grade. Ich kenne kaum eine Laufbahn auf Erden, wo er eine solche Rolle spielt…“ (zitiert nach dem Vortrag von 1919, Quelle S. 477).

Ganz aktuell nahm sie auch auf den gerade erschienenen Bericht der Imboden-Kommission bezug, der die Erfolge der Exzellenzinitiative bewertet hat und dabei die Probleme der vielen promovierten Nachwuchswissenschaftler klar betont. Dass in der BRD die Entscheidung für eine wissenschaftliche Laufbahn häufig erst 6 Jahre nach der Promotion getroffen werden kann, hat sie ebenso kritisch dargestellt wie den Druck auf Jungwissenschaftler zur Einwerbung von Drittmitteln. Sie sprach sogar vom Plan einer Drittmittel-Sperre, damit Jungforschende auch wirklich selbst forschen und nicht gleich forschen lassen. Besser als Drittmittel sei „Vertrauensgeld“ (eine Anspielung auf die von der Imboden-Kommission empfohlene Prämienzahlung an gute Universitäten). Sie empfahl Zeit zum „Brüten“ und zur Selbstentfaltung, die Ermöglichung von Familie und als besondere Massnahme zur Ideenfindung das gemeinsame Kochen.

Alles in allem ein Vortrag, der am Beispiel ihrer eigenen Biographie einige Probleme der heutigen Wissenschaftskrarrieren und der häufig verwendeten Kriterien Drittmittel, Publikationen und Preise aufzeigte. Lösungen sind wie so oft schwerer zu finden als die Problembeschreibungen. Ein Nachmittag also, um über Kriterien guter Wissenschaft nachzudenken! Danke, liebes Marsilius-Kolleg!

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