Dieser Blog-Titel weckt Erinnerungen an Vorläufer aus der Zeit von PISA 2012: Melbourne, Szeged, Boston, Budapest waren bereits Gegenstand entsprechender Blog-Einträge mit dem Zusatz „Experience“. Nun also die Tokyo Experience!
Das hat zwar mit PISA offiziell nichts mehr zu tun und knüpft doch im weitesten Sinne daran an: Das japanische Erziehungsministerium (seine Forschungsabteilung NIER, National Institute for Educational Policy Research) zeigte sich interessiert an unseren Heidelberger Konzepten zur Erfassung kritischen Denkens und komplexen Problemlösens. Mit der Benesse Corporation ist zudem ein großer Akteur auf dem japanischen Bildungsmarkt mit an Bord. Gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit PISA 2012 können wir einiges berichten.
Die Konzepte haben sich seit 2012 natürlich verändert und gehen inzwischen in andere Richtungen als die damals entwickelten Messinstrumente MicroDYN und MicroFIN, mit denen wir uns seinerzeit vorrangig beschäftigt hatten. Deren Beschränkungen sind uns heute klarer geworden, die neuen Konzepte weichen davon erheblich ab, indem sie kritisches Denken, Umgang mit Nichtlinearitäten, allgemeines Systemverständnis (z.B. Stock-Flow-Prozesse) sowie Kommunikation und Kollaboration stark machen.
Für 5 Tage hat mich nun Tokyo in seinen Bann gezogen – eine wahrlich große Metropolregion (mit mehr als 40 Mio Einwohnern im Großraum). Gut geklappt hat die Fortbewegung mit S- und U-Bahn, gut verständlich ausgeschildert. Und ich habe das beste Sushi aller Zeiten bekommen! Danke, Jean-Paul, für diese Einladung!
Einziges Problem war der Reisemonat August – mit Temperaturen zwischen 30 und 40 Grad (nachts nicht kälter als 28 Grad) und extrem hoher Luftfeuchtigkeit ist der Bedarf an frischer Unterwäsche doch recht hoch. Auftritte in Anzug und Schlips gehen nur in klimatisierten Räumen.
Eine besondere Erfahrung war ein einstündiges Privatissimum mit Dr. Yuichiro Anzai, dem ehrwürdigen Präsidenten der „Japan Society for the Promotion of Science“ (JSPS), in dessen Verlauf mir plötzlich klar wurde, dass mein Gesprächspartner tatsächlich der Erstautor eines von mir sehr geschätzten Artikels über Protokollanalyse und kognitive Modellierung beim „Turm von Hanoi“ ist (Anzai, Y., & Simon, H. A. 1979. The theory of learning by doing. Psychological Review, 86(2), 124–140) – der Zweitautor ist übrigens Nobelpreisträger). Als ich ihn darauf ansprach, war er gerührt, dass ich seine Arbeit kannte und schätzte. Von dem Moment an war das Eis gebrochen und wir haben uns exzellent verstanden.
Vermittelt wurde der Kontakt durch das DIPF in Frankfurt, dessen Entwicklungsplattform namens „ItemBuilder“ den technischen Hintergrund liefert, zu dem wir die Inhalte liefern. Mal sehen, wie sich diese Option entwickelt. Ein paar Ideen zu heterogenen Anforderungssymphonien in realistischen Kontexten, die ich in meinen Vorträgen skizziert habe, scheinen jedenfalls ein positives Echo gefunden zu haben.