Im akademischen Leben produziert man viele Zeichen, darunter eine Menge Leerzeichen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Leerzeichen ich schon publiziert habe – diese unscheinbaren Lücken im Text! Wie wichtig sie sind, habe ich bei einer Veranstaltung mit unserem UB-Direktor Veit Probst und seiner Assistentin Alexandra Büttner erfahren, die das famose Digitalisierungsprojekt der Lorscher Handschriften (sog. Lorscher Evangeliar) vorgestellt haben.
Die scriptio continua (=BuchstabenfolgenohneLeerzeichenzwischendenWörtern) stellt erhebliche Anforderungen an den Leser – wie gut, dass Leerzeichen und Interpunktionen im Mittelalter erfunden wurden, um das Lesen leichter zu machen.
Das schöne an meinen publizierten Leerzeichen: Ich stehe voll dahinter! Das Nichts ist eine Aussage für alle Ewigkeit – da bekomme ich sicher viel Zustimmung! Man sagt ja, viele wichtige Info stünde im Sub-Text, zwischen den Zeilen. Aber dieses „Zwischen den Zeilen lesen“ erschliesst sich natürlich nur dem Kundigen. Also Lernziel Leerzeichen? Seit ich über Leerzeichen nachgedacht habe, setze ich sie jedenfalls bewusster. Und seit ich weiss, dass der Weltkonzern Microsoft sich um den Schutz des Leerzeichens kümmert („geschützte“ Leerzeichen kann man gezielt einsetzen), mache ich mir keine Sorgen mehr um die Zukunft dieses Zeichens und seine fast unsichtbare Existenz (der im Bild gezeigte Schalter erlaubt in Word das Ein- und Ausschalten der Sichtbarkeit).
Vielleicht sollte ich im Alter mal einen Band „Gesammelte Leerzeichen“ editieren – für den Audio-Bereich mit seinen Pausen hat dies Heinrich Böll mit der herrlichen Kurzgeschichte „Doktor Murkes gesammeltes Schweigen“ ja bereits erfolgreich beschrieben.
[Dieser Beitrag enthält übrigens 236 Leerzeichen.]
Nachtrag 6.5.2017: Habe heute einen interessanten Blog mit dem Titel Deppenleerzeichen.de entdeckt – eine Sammlung von verlorengegangenen Binde-Strichen bzw. Zusammenschreibungen (wie etwa „Hoch Kultur“). Eine vergnügliche Lektüre! Sehr empfehlenswert!