Das sog. „Wundt-Haus“ in Großbothen (bei Leipzig) läßt mich nicht los. Jetzt hat die Eigentümerin des Gebäudes (Frau Katharina Ungerer-Heuck) in einem neuen Aufsatz für die Psychologische Rundschau Heft 3, 2025 einen Kommentar verfasst zu der (von mir als korrekt wahrgenommenen) These von Horst Gundlach, Armin Stock und Wolfgang Schneider (ich hatte darüber gebloggt), wonach Wilhelm Wundt nur kurz (ein halbes Jahr, 1919, bis zu seinem Tod 1920) dort Zeit verbrachte, aber lieber zeitlebens in seinem Heidelberger Wohnhaus (Plöck 48) lebte. Der Kommentar bringt nichts Neues zutage ausser einem Detail: Das Haus steht zum Verkauf! Weiter heisst es im gedruckten Kommentar:
„Wer sich für den Erwerb dieser besonderen Immobilie interessiert, kann sich direkt an Frau GoldXXXX wenden: Wendy GoldXXXX, Sparkasse Muldental, Immobilienmaklerin, 03437 991-XXXX Geschäftlich, 0160 94427 XXX Mobiltelefon, wendy.goldxxxx@spk-muldentxxx.de, https://www.spk-muldentxxx.de/. Besten Dank im Voraus.“
Wow: ist die „Rundschau“ jetzt zu einem Blättchen geworden, in dem psychologiegeschichtlich bedeutende Objekte zum Verkauf angeboten werden? Immobilenmakler werden sich freuen – ich ärgere mich über diese verkappte Anzeige.
Aber Achtung: das Haus hat nur 120 Quadratmeter Nutzfläche. Das ist für ein angedachtes Tagungszentrum oder ein Ausstellungszentrum (selbst für einen „Researcher in Residence“) deutlich zu wenig. Allein in die Sanierung der Außenhülle sind geschätzt 500-700.000 Euro geflossen. Den Betrag für den noch nicht in Angriff genommenen Innenausbau kann man wohl in ähnlicher Höhe ansetzen. Die Herstellungskosten pro Quadratmeter dürften am Ende bei >10.000 Euro liegen, d.h. bei Preisen, die man in nur Toplagen von Frankfurt, München und Hamburg etc. bezahlen würde.
Schon frühzeitig wurde klar, dass keine tragende Nutzungsidee für dieses Objekt gefunden wurde, das die Tochter Wundts, Eleonore, in einer Notiz vom 25.8.1919 als „Garten (mit Landhäuschen)“ bezeichnet hatte. Ich selbst hatte vor mehreren Jahren – auf einen Aufruf des 2023 verstorbenen Gert Jüttemann hin – eine Spende zum Erhalt des damals baufälligen Gebäudes gemacht, Geld, das heute in den Verkaufspreis der Immobilie fließt. Noch im Jahr 2024 (hier) schrieb Andreas Jüttemann, der Sohn von Gerd Jüttemann, eine Aufsatz mit dem Titel „Das Wilhelm Wundt-Haus in Großbothen hat wieder eine Zukunft“. Das sieht jetzt doch eher mau aus. Die Bemühungen für die Leistungen, insbesondere der Eigentümerin, werden natürlich anerkannt. Dennoch bleibt die Schwierigkeit, eine sinnvolle (und ökonomisch vertretbare) Nutzung zu entwickeln.
Übrigens beträgt die derzeitige Fahrzeit von Leipzig nach Großbothen mit dem ÖPNV ca. 1 Stunde – eine Anbindung an das Mitteldeutsche S-Bahn-System wird diskutiert.
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