Heidelberg Tests

eine alte Augabe des Katalogs (click to see)

Bei der Durchsicht des neuen Testkatalogs 2022/23 der Hogrefe Testzentrale ist mir aufgefallen, dass eine ganze Reihe von psychologischen Tests den Namen „Heidelberg“ verwenden:

  • HASE – Heidelberger Auditives Screening in der Einschulungsdiagnostik, von Monika Brunner, H. Schöler
  • HDB – Heidelberger Drogenbogen, von Corina Aguilar-Raab, Jan Weinhold, Rolf Verres
  • HDI – Heidelberger Dissoziations-Inventar, von R. M. Brunner, Franz Resch,, P. Parzer, E. Koch
  • H-LAD – Heidelberger Lautdifferenzierungstest, von Monika Brunner, A. Dierks, A. Seibert
  • HRT 1-4 – Heidelberger Rechentest. Erfassung mathematischer Basiskompetenzen im Grundschulalter, von J. Haffner, K. Baro, P. Parzer, Franz Resch
  • HSET – Heidelberger Sprachentwicklungstest, von Hannelore Grimm, Hermann Schöler
  • HVS – Heidelberger Vorschulscreening zur auditiv-kinästhetischen Wahrnehmung und Sprachverarbeitung, von Monika Brunner, Judith Troost, Barbara Pfeiffer, Christine Heinrich, Ute Pröschel

In früheren Katalogen fanden sich auch folgende Verfahren:

  • H.I.L.D.E. – Heidelberger Instrument zur Erfassung der Lebensqualität demenzkranker Menschen, Hrsg. von S. Becker, R. Kasper, Andreas Kruse
  • HIT 3-4 – Heidelberger Intelligenztest für 3. und 4. Klassen, von K Ingenkamp, Heinrich Kratzmeier
  • HNT – Heidelberger Nonverbaler Test, von Heinrich Kratzmeier, Ralf Horn
  • HVT – Heidelberger Vokallängendifferenzierungstest, von Monika Brunner

Daneben gibt es weitere lieferbare Tests Heidelberger Autoren, in denen der Name Heidelberg nicht verwendet wird (vermutlich fehlen welche, sorry!):

  • FAUSTLOS – Grundschule. Ein Curriculum zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen und zur Gewaltprävention für die Grundschule, hrsg. von Manfred Cierpka (das ist ein Trainingsprogramm, kein Test)
  • FAUSTLOS – Sekundarstufe. Ein Curriculum zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen und zur Gewaltprävention, von Manfred Cierpka, A. Schick
  • SELLMO – Skalen zur Erfassung der Lern- und Leistungsmotivation, von Birgit Spinath, Joachim Stiensmeier-Pelster, Claudia Schöne, Oliver Dickhäuser
  • SESSKO – Skalen zur Erfassung des schulischen Selbstkonzepts, von Claudia Schöne, Oliver Dickhäuser, Birgit Spinath, Joachim Stiensmeier-Pelster
  • TAI – Trierer Alkoholismusinventar, von Wilma Funke, Joachim Funke, Michael Klein, Reinhold Scheller

In der Entwicklung befindlich bzw. (noch) nicht in einem Testverlag veröffentlicht:

Offensichtlich verlockt es Autoren, die Ortsanbindung als kennzeichnendes Merkmal zu wählen – mir selbst gefällt natürlich die Anfangssilbe „Hei-“ ganz vorzüglich, da sie mit dem englischen „High“ zusammenfällt (HeiFidelity, das Rauschkunde-Buch nutzt „High“ gleich doppeldeutig: Highdelberg – übrigens auch nüchtern sehr lesenswert!).

Die  Anfangssilbe „Hei-“ ist inzwischen so oft verwendet worden (z.B. HeiBox – das Äquivalent zu Dropbox; HeiConf – die BigBlueButton-Videokonferenz; HeiDI – Bibliothekskatalog; HeiKA – die Heidelberg-Karlsruhe-Partnerschaft; heiMOVE – der Hochschulsport; HeiOnline – Video- und Podcast-Angebote; HeiPI – mein Blog aus dem P.I.; HeiQuality – Qualitätsmanagement; HeiUP – Hedelberg University Publishing), dass gewisse Sättigungs- und Ermüdungserscheinungen nicht ausbleiben.

Eine Durchsicht des aktuellen Hogrefe-Testregisters zeigt, dass viele Städte aus dem deutschsprachigen Raum in Testbezeichnungen verwendet werden (Häufigkeit des Vorkommens, alphabetisch):  Aachen 2;  Berlin 6;  Bern 2;  Bielefeld 3;  Bochum 4;  Bonn 2;  Dortmund 1;  Frankfurt 6;  Freiburg 2;  Hamburg 9;  Heidelberg 7;  Kiel 1;  Köln 4;  Leipzig 1;  Linz 2;  Marburg 5;  München 6;  Münster 2;  Oldenburg 2;  Osnabrück 1;  Potsdam 4;  Regensburg 1;  Salzburg 3;  Trier 3;  Tübingen 1;  Weingarten 5;  Werdenfels (bei München) 1;  Würzburg 6;  Zürich 2). Spitzenreiter ist Hamburg (9), gefolgt von Heidelberg (7) und – gleichauf mit jeweils 6 – Frankfurt, München, Würzburg.

Warum eine Ortsbindung? Trägt die Ortsangabe mehr als nur die Affiliation der Testautoren zur Information bei? Werden vielleicht „Schulen“ erkennbar? Ich weiss es nicht! Further research is needed…

Kommentar von Jochen Musch, Universität Düsseldorf:

Bravo, eine sehr hübsche Sammlung und eine noch wichtigere Fragestellung, der bislang bei weitem nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt wurde! Um die Sammlung zunächst zu ergänzen, fiele mir noch die Heidelberger Struktur-Lege-Technik zur Rekonstruktion subjektiver Theorien ein, die derzeit sehr nützlich sein könnte, um das Weltbild von Vertretern beider Seiten der Impfdebatte näher zu beleuchten.

Der völlig zu Unrecht bisweilen als Provinzwissenschaftler kritisierte E.A. Dölle (1963) hat ja schon früh die umstrittene These aufgestellt, dass es sich bei der Verwendung von Ortsnamen in Testbezeichnungen um einen anachronistischen, dem zunehmend globalen Wissenschaftsverständnis zuwiderlaufenden und deshalb letztlich rückständigen Lokalpatriotismus handelt. Er hat dabei allerdings möglicherweise die markenbildende Kraft solcher Testbezeichnungen übersehen, die einer kommerziellen Verwertung förderlich sein könnte (Hogrefe et al., 1998). Der notwendige nächste Schritt wäre deshalb nach meinem Dafürhalten, bei der etymologischen Betrachtung den Kreis zunächst etwas weiter zu ziehen und auch die Ursprünge der Nürnberger Rostbratwurst, den Verlauf der Schwarzwälder-Schinken-Kontroverse sowie die Frage des Markenschutzes für das steirische Kürbiskernöl näher zu beleuchten. Die meisten dieser auf Lebensmittel bezogenen Herkunftsbezeichnungen konnten inzwischen einer onomastischen Klärung zugeführt werden. Dies erscheint vor dem Hintergrund der rechtlichen Brisanz dieser Fragen auch für Testbezeichnungen dringend geboten, obwohl dadurch möglicherweise kaum vernarbte Wunden – wie die aus der positivistisch geprägten Wiener-Würstchen-Debatte der Frankfurter Würstchenschule – erneut aufplatzen könnten. Dem stünde jedoch gegenüber, dass durch eine solche Betrachtung eine erhebliche Regulierungslücke erkennbar werden würde, die sich in dem derzeitigen Fehlen einer offiziellen Registrierungsstelle der Europäischen Union für lokal augmentierte Testbezeichnungen offenbart. Wie für Lebensmittel inzwischen allgemein anerkannt ist, ist eine solche Einspruchsrecht gewährende Registrierungsstelle für eine konsensuale Festlegung geschützter Herkunftsangaben und zum Zwecke der Schließung vorhandener Schutzrechtslücken zwingend erforderlich, weil andernfalls in regionalen Spannungsgebieten unnötige Konflikte durch intentional kontrovers gewählte Testtitel entstehen können („Kölner Katastrophen-Inventar“, „Düsseldorfer Demenzfragebogen“, „Schwäbische Suizid-Skala“, „Mannheimer Machiavellismus-Manual“).

Die der Wissenschaft ziemende kritische Distanz sollte dabei wie immer gewahrt bleiben. Insbesondere sollte die Frage, ob die beliebte Verwendung von Alliterationen in ortsgebundenen Testbezeichnungen („Salzburger Sehstärke-Screening“) tatsächlich rezeptions- und damit verkaufsförderlich ist, einer empirischen Überprüfung zugeführt werden. Die Untersuchung von Sagi et al. (2008) über die zitationshemmende Wirkung allzu lustiger Artikeltitel sollte hier ebenso als warnendes Beispiel dienen wie die Untersuchung von Subotić and Mukherjee (2013), die für kürzere (also auf unnötige Ortsbezeichnungen verzichtende) Artikeltitel höhere Zitationsraten beobachteten: Do Funny Article Titles Garner More Citations?

Kategorien:

Keine Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Archive
Kategorien