OWCPS: Robert Sternberg plädiert für „adaptive Intelligenz“

Beatrice Kuhlmann, JF und Bob Sternberg

Corona-Zeiten sind schwierige Zeiten. Aber sie bringen auch Gutes hervor: Für mich zählt das OWCPS-Seminar an der Universität Mannheim zu den klaren Corona-Gewinnen. OWCPS heisst “One World Cognitive Psychology“ und wird von den Mannheimer Kognitionspsychologen Arndt Bröder, Edgar Erdfelder, Meike Kroneisen und Beatrice Kuhlmann seit dem Sommersemester 2020 organisiert.

Die Idee dahinter ist ganz einfach: Das „normale“ Kolloquium der Mannheimer Arbeitsgruppe, das infolge Corona nicht im Seminarraum abgehalten werden konnte, wurde kurzerhand in die virtuelle Welt verlegt und ist damit plötzlich offen für die ganze Welt – und das Beste: Viele Interessierte aus der ganzen Welt schalten sich zu und können den internationalen Gastrednerinnen und Gastrednern zuhören (und Fragen stellen!). Und natürlich können Veranstalter tolle Vorttagende aus der ganzen Welt gewinnen – Reisekosten entstehen keine.

Unser Honorarprofessor Robert Sternberg (Cornell University) war kürzlich im OWCPS zu Gast und hat vor über 100 Zuhörenden seine Kritik an der klassischen (analytischen) Intelligenztestung vorgestellt (Titel: „Time Bomb: How the Western conception of intelligence is taking down humanity„), die er bereits in seinem lesenswerten Artikel von 2019 (hier der Link, open access) dargelegt hat.

So kritisiert er etwa, dass viele „moderne“ Intelligenztests auf Items zurückgreifen, die Anfang des 20. Jahrhunderts entworfen wurden. Sein Plädoyer: wir brauchen neue IQ-Tests, die anstelle individueller Adaptation mehr Wert auf die kollektive Überlebenssicherung legen, also neben besonderen Leistungen im Fortsetzen angefangener Zahlenreihen auch Kriterien wie Weisheit, praktische Intelligenz und Kreativität Berücksichtigung finden sollten (seine Rainbow-Studie ist ein Beispiel dafür). Die Schwerpunktsetzung auf individueller Adaptation sei eine typisch westliche Verzerrung (Triumph des Individualismus im Vergleich zu eher kollektivistischen Kulturen). Seine Forderung:

  • Nachdenken, was Intelligenz inhaltlich bedeuten könnte, wenn es um das Überleben unserer Spezies geht.
  • In den testdurchführenden Institutionen (Schulen, Universitäten) darüber nachdenken, was man eigentlich erfassen möchte.
  • In den Bildungs-Institutionen darüber nachdenken, was zum Bildungsinhalt gehört (z.B. kritisches Denken) und derzeit eventuell zu kurz kommt.

Sternbergs Vortrag war durchzogen von Wut und Ärger über den, „dessen Name nicht genannt werden darf“ – nein, nicht Lord Voldemort, sondern Donald Trump, dessen politisches Agieren wohl kaum dem Wohl der Menschheit dient, nicht einmal dem Wohl des gesamten amerikanischen Volkes.

Wer den Vortrag nicht hören konnte und Lust auf ihn hat: Dank Zoom ist (mit Zustimmung aller Beteiligten) der Vortrag aufgezeichnet und kann auf YouTube angeschaut werden: https://youtu.be/0d7vCoF2PlM (auch das ein Gewinn des digitalen Formats).

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