An der Universität Heidelberg gibt es seit 10 Jahren ein Zentrum für Umweltforschung: das „Heidelberg Center for the Environment“ (HCE). Das Selbstverständnis dieses virtuellen Zentrums (virtuell, weil es im Unterschied zu vielen anderen Zentren an unserer Universität nicht über ein eigenes Gebäude verfügt) laut Homepage (Stand 8.3.2020):
„Das Heidelberg Center for the Environment (HCE) verbindet ein weites Spektrum an Umwelt-Perspektiven von den Natur- über die Sozial- bis zu den Kulturwissenschaften. Es befasst sich mit der physischen und der sozio-kulturellen Umwelt des Menschen, mit der diesen Umwelten eigenen Dynamik und mit ihren Wechselwirkungen. Die Intensität dieser Wechselwirkungen hat in der jüngeren Geschichte auf verschiedenen Feldern stark zugenommen, was zur übergreifenden Betrachtung und Vereinigung der Perspektiven unterschiedlicher Wissenschaftskulturen herausfordert.“
Wie schon in einem früheren Blog-Eintrag beschrieben (siehe hier), bestehen angesichts aktueller politischer Debatten rund um den Klimawandel unterschiedliche Auffasungen bei den über 80 Mitgliedern des HCE, beim Rektorat und auch im Vorstand des HCE. Da das bislang ohnehin schon schmale Budget des HCE (unterhalb einer halben Million Euro pro Jahr) erneut für das Jahr 2020 gekürzt wurde, sind zudem die Handlungsmöglichkeiten zunehmend eingeschränkt.
Nun teilt das Direktorium (bestehend aus Thomas Meier, Marcus Koch, Guido Sprenger und Jale Tosun) nach zweieinhalbjähriger Tätigkeit seinen Rücktritt mit. Die Akteure wollen damit „den Weg frei machen für ein neues Leitungsteam“. Warum? Dazu heisst es lapidar, „dass sich das HCE im Lichte der ExStra [Exzellenz-Strategie, JF] neuen Anforderungen gegenüber sieht; eine Situation, die aus unserer Sicht auch neue Köpfe erfordert“.
Erkennbar klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander: Nach außen (etwa in der Lokal-Zeitung RNZ) wird kommuniziert, dass das HCE ein wichtiger Teil der Universität im Rahmen der Exzellenzstrategie als Antwort auf den Klimawandel sei (z.B. taucht in der Antwort des Rektors auf die Forderungen der Students for Future das HCE allein an 19 Stellen im Text auf); nach innen ist neben der Budget-Kürzung um gut ein Drittel des eh schon niedrigen Etats auch ein Unmut über die breite Ausrichtung der Aktivitäten zu spüren, der Wunsch nach einer naturwissenschaftlich dominierten Engführung des Themas unter Leitung sogenannter „Kerndisziplinen“ (Geographie und Umweltphysik) liegt in der Luft. Dabei sehe ich persönlich gerade die hohe Fächervielfalt, die im HCE gebündelt ist, als eine Stärke an – wir reden ja stolz vom Konzept der „comprehensive university“ (Voll-Universität).
Ich bedanke mich beim Direktorium für die geleistete Arbeit! Mal sehen, wie es weitergeht – ich selbst bedauere den Rücktritt, aber ich verstehe auch, dass der Druck aus dem Kreis der Mitglieder und aus dem Rektorat irgendwann so groß wird, dass man lieber den Platz für andere freimacht. Dass der (nun zurückgetretene) Direktor des HCE Thomas Meier mit seinem Beitrag „Gegen die Aufteilung der Welt. Lösungen für die Welt von morgen“ in der Ruperto Carola 2019 manchen verärgert haben mag, ist nicht auszuschließen (noch schärfer: sein Beitrag im Marsilius-Jahrbuch 2019/20). Mir hat sein Vorschlag, sich auf „eine neue Universität jenseits der Disziplinen einzulassen“ (S. 20), jedenfalls zugesagt – Große gesellschaftliche Herausforderungen machen nicht an Fächergrenzen halt…