Dass Frauen für die gleiche Leistung weniger Geld bekommen, ist ein Skandal, der unter dem Namen „gender pay gap“ firmiert. Er ist nicht so einfach zu bestimmen, da viele Faktoren für die Geschlechterunterschiede (wie sie etwa bei der späteren Rentenleistung sichtbar werden) verantwortlich sind. Dennoch ist nach verschiedenen Analysen die Rede davon, dass in Deutschland Frauen für die gleiche Arbeit im Schnitt 16% weniger Gehalt bekommen – unerhört!
Aber ist das nicht ein Phänomen, das nur in der freien Wirtschaft auftritt, nicht aber an Hochschulen? Vermutlich stimmt diese Annahme nicht: Der im Dezember 2019 veröffentlichte Bericht des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Kultur und Wissenschaft (Download hier) über die Gleichstellung von Männern und Frauen an dortigen Hochschulen offenbart wohl deutliche Gehaltsunterschiede im Wissenschaftsbetrieb:
An den Hochschulen gibt es einen Gender Pay Gap (deutsch: Geschlechter-Einkommenslücke), der durch leistungsbezogene Entgeltbestandteile entsteht. Die Leistungsbezüge sind Teil der Besoldung und werden beispielsweise für besondere Leistungen in Forschung oder Lehre gewährt. Verbeamtete Vollzeit-Professorinnen verdienen im Rahmen dieser Leistungsbezüge über alle Besoldungsgruppen hinweg jeden Monat durchschnittlich 521 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen. Zwischen den Hochschulen existieren hierbei deutliche Spannweiten. Die Differenz der durchschnittlichen Leistungsbezüge zwischen Frauen und Männern liegt an einigen Hochschulen bei über 1.000 Euro im Monat.
Das ist doch recht deutlich, wie ich finde! Offensichtlich sind mit der Einführung von Leistungsbezügen im Rahmen der 2002 eingeführten W-Besoldung subtile Unterscheidungsmöglichkeiten entstanden, deren Auswirkungen erst jetzt so richtig sichtbar werden. Das in Halle angesiedelte „Institut für Hochschulforschung“ berichtet von einer 2019 gestarteten Studie, die über Unterschiede in der W-Besoldung von Männern und Frauen aufklären soll. Wie die Zahlen wohl für Baden-Württemberg ausfallen? Und wie die Situation an der Uni Heidelberg ausfällt? Gut, dass wir eine Gleichstellungsbeauftragte haben, die sich um die Offenlegung der Zahlen kümmern dürfte! Aber das dahinter stehende Problem: das geht uns alle an (auch uns Männer – vor allem, wenn wir Personen einstellen)!
siehe auch den dazu passenden Blog-Eintrag von Jan-Martin Wiarda:
und dass Wissenschaftlerinnen ihre Ergebnisse weniger hochtrabend ankündigen als Wissenschaftler, macht der folgende Beitrag deutlich:
Lerchenmueller, M. J., Sorenson, O., & Jena, A. B. (2019). Gender differences in how scientists present the importance of their research: Observational study. BMJ, l6573. https://doi.org/10.1136/bmj.l6573
16.03.2020, 14:56 – wi bwg dpa. Stuttgart (dpa/lsw) – Die Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern ist in Baden-Württemberg die höchste in Deutschland. Und auch im europäischen Vergleich schneidet der Südwesten schlecht ab, wie der Südwest-Ableger des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) am Montag in Stuttgart mitteilte. Anlass war der «Equal Pay Day» an diesem Dienstag (17. März): Bis zu diesem Tag mussten Frauen nach Angaben des Gewerkschaftsbunds arbeiten, um dasselbe Entgelt zu erhalten, das Männer bis zum Ende des Jahres 2019 verdient haben – 77 Tage mehr.
«Die Entgeltlücke ist in Deutschland deutlich größer als im europäischen Durchschnitt und in Baden-Württemberg innerhalb Deutschlands am höchsten», bilanzierte die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Gabriele Frenzer-Wolf am Montag. «Wir können alles außer Gleichstellung? Damit lässt sich ganz bestimmt keine Werbung machen.»
Nachtrag 3.11.2021: Im gerade erschienenen Heft 11/2021 von „Forschung & Lehre“ schreibt der Kanzler der Uni Wppertal, Dr. Roland Kischkel, im Editorial unter dem Titel „Geld und Geschlecht„:
„Ein Gender-Pay-Gap in der W-Besoldung wäre daher nicht nur eine limitierte Fehlentwicklung, er beschädigt die Glaubwürdigkeit, mit der wir Gleichstellungsziele verfolgen. … [Hochschulen] werden allerdings in einigen Jahren nachweisen müssen, dass sie ein wirksames Mittel gegen den professoralen Gender-Pay-Gap gefunden haben.“