Gastbeitrag „Ausscheiden der Gleichstellungsbeauftragten Ursula Christmann“

Gastbeitrag von Prof. Dr. Norbert Groeben zum Ausscheiden von Frau (apl.) Professorin Dr. Ursula Christmann als Gleichstellungsbeauftragte der Fakultät für Empirische Kultur- und Verhaltenswissenschaften:

Am 24.1.2018 ist eine Ära zu Ende gegangen, nämlich die längste Dienstzeit einer Gleichstellungsbeauftragten an der Universität Heidelberg. Es handelt sich um Frau (apl.) Professorin Dr. Ursula Christmann, die in der Fakultät für Empirische Kultur- und Verhaltenswissenschaften das Amt der Gleichstellungs- (früher Frauen-)Beauftragten von 1998 bis 2018 ausgeübt hat. Dabei hat sie sich neben anderem selbstverständlich nicht zuletzt um das Hauptproblem des unbefriedigenden Frauenanteils bei der wissenschaftlichen Karriere an der Universität gekümmert. Mit folgenden Eckdaten: Zu ihrem Dienstbeginn gab es in der Fakultät 12% Professorinnen vs. 88% Professoren auf Planstellen. Bei ihrem Ausscheiden (letzte Fakultätssitzung ihrer Amtszeit: 24.1.2018) ist das Verhältnis 42% (w) zu 58% (m) der professoralen Stelleninhaber. Und die Geschlechterrelation im sog. Mittelbau hat sich sogar noch  besser entwickelt (w: 71% Promotionen; 68 % Postdocs; 38% Habilitationen) Insgesamt also augenscheinlich eine klare Erfolgsgeschichte.

Nun kann und soll man natürlich eine solche Entwicklung nicht nur auf einen Faktor, wie z.B. die Person der Gleichstellungsbeauftragten zurückführen. Es war sicher auch ein Fakultätsumfeld nötig, in der ihre Bemühungen auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Allerdings: Es gibt (wie gesagt) an der gesamten  Universität Heidelberg keine Gleichstellungsbeauftragte mit vergleichbar langer Amtszeit. Und: Es gibt keine Fakultät, die in Bezug auf das Geschlechterverhältnis der Wissenschaftler/innen insgesamt  auch nur annähernd so gut dasteht! Also: Béni soit qui bon y pense, das heißt: Ohne den jahrelangen Einsatz von Frau Christmann, der gerade auch in ‚ihrem‘ Psychologischen Institut besonders wirksam geworden ist, wäre diese Entwicklung hin zu Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft sicher nicht so erfolgreich gewesen. Zu ihren Verdiensten gehört außerdem die federführende Einwerbung einer neuen Professur für die Fakultät, nämlich die derzeitige Professur für Genderforschung und Gesundheitspsychologie.

Jedoch bedeutet das nicht, dass damit bereits das Ende des Weges erreicht ist. Ein allerorten (außerhalb der Medizin, die hier einen Sonderfall darstellt) zu beobachtendes Phänomen ist, dass Frauen wegen der Mehrfachbelastung von Beruf und Familie bzw. weniger ausgeprägten Netzwerken später zu den wissenschaftlichen Karriereweihen kommen und dann Schwierigkeiten haben, professorale Planstellen zu erhalten. Daraus resultiert ein besonders hoher Anteil an sog. außerplanmäßigen (apl.) Professorinnen, die alle wissenschaftlichen Qualifikationen erfüllen, aber lediglich eine sog. Mittelbau-Stelle innehaben. Und als solche erfüllen sie zu einem großen Teil Lehr- und Forschungspflichten (wie im Fall von Frau Christmann u.U. sogar Verwaltungsaufgaben) wie die Planstelleninhaber/innen, ohne aber deren Rechte zu haben. Eine zentrale Aufgabe der oder des nächsten Gleichstellungsbeauftragten wird es daher sein, die Rechte von apl. ProfessorInnen an ihre Pflichten anzugleichen. Es bleibt also durchaus noch viel zu tun!

Prof. Dr. Norbert Groeben ist Psychologe und Literaturwissenschaftler und war Professor für Allgmeine Psychologie und Psycholinguistik an der Universität Heidelberg sowie Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Psychologie und Kulturpsychologie der Universität zu Köln. In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit sozial- und kulturwissenschaftlicher Psychologie, mit kognitiver und Lern-Psychologie sowie mit der menschlichen Kreativität.

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