Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz

Aus einer aktuellen Erhebung der AOK (gesetzliche Krankenkasse) geht hervor, dass sich im Vergleich von vor 10 Jahren die Zahl der Fehltage am Arbeitsplatz wegen psychischer Störungen verdoppelt hat! Sie beträgt im Durchschnitt 25.7 Tage. In der Pressemitteilung der AOK heisst es:

    „Laut einer aktuellen Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) kommen bei den 2.000 befragten Beschäftigten am häufigsten Konflikte im privaten Umfeld (16 Prozent), eine schwere Erkrankung von Angehörigen (zwölf Prozent) und finanzielle Probleme (elf Prozent) vor. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil der Betroffenen an: Etwas mehr als ein Drittel der Beschäftigten unter Dreißig (37,6 Prozent) berichtet über kritische Lebensereignisse, bei den 50- bis 65-Jährigen sind dies schon fast zwei Drittel (64,7 Prozent). Jüngere Erwerbstätige berichten neben privaten Konflikten auch über fi nanzielle oder soziale Probleme, während bei älteren Erwerbstätigen Krankheit, Altern oder der Tod des Partners eine größere Rolle spielen. Diese kritischen Lebensereignisse belasten die Gesundheit der Betroffenen und beeinflussen auch die Berufstätigkeit. So berichten 58,7 Prozent von körperlichen und 79 Prozent von psychischen Problemen. In der Folge fühlten sich mehr als die Hälfte der Befragten durch die Krise in der eigenen Leistungsfähigkeit in ihrem Berufsleben eingeschränkt (53,4 Prozent). Ähnlich viele Menschen geben an, trotz einer Erkrankung in diesem Kontext zur Arbeit gegangen zu sein (48,8 Prozent). Mehr als ein Drittel fühlte sich aufgrund des kritischen Lebensereignisses unzufrieden mit der Arbeit (37,3 Prozent) oder hat sich häufiger krank gemeldet (34,1 Prozent).“

Erschreckende Zahlen! Dass 4 von 5 Befragten psychische Probleme benennen, ist kaum zu glauben! Die Idee, dass Arbeit auch Spaß machen kann, hat mit der Lebenswirklichkeit vieler Arbeitnehmer offensichtlich wenig zu tun! Zum einen ist das natürlich eine Herausforderung für Psychotherapeuten, sich dieser Fälle anzunehmen (jedenfalls da, wo es professionelle Hilfe braucht); zum anderen ist es eine Herausforderung für die Arbeits– und Organisationspsychologie, an der Gestaltung gesunder Arbeitsplätze mitzuwirken – und dabei geht es nicht nur um höhenverstellbare Tische (Rücken) oder hochauflösende Bildschirme (Augen), sondern vor allem auch um zufriedenstellende, respekttvolle Beziehungen am Arbeitsplatz und um sinnstiftende Tätigkeiten. In den 1970er Jahren wurde erstmals ein Programm zur „Humanisierung des Arbeitslebens“ aufgelegt; vielleicht ist es wieder einmal an der Zeit, ein ähnliches Programm aufzulegen, diesmal vielleicht mit einem Schwerpunkt auf psychische Belastungen. Der DGB-Index „Gute Arbeit“ zeigt ebenfalls Handlungsbedarf. Nicht nur Arbeitslosigkeit kann psychische Störungen hervorbringen, sondern auch schlechte Arbeitsbedingungen. Die hängen häufig von Führungskräften ab, die die Bedeutung psychischer Faktoren entweder nicht kennen oder schlichtweg ignorieren.

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