Als einer der ersten Pressevertreter habe ich als Hei_PI-Blogger am 2.3.17 die Akkreditierung für die Konferenzberichterstattung der GEBF 2017 erhalten (Danke, liebe Sabine!). Die Abkürzung GEBF steht für „Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung„, die 5. Tagung der GEBF fand diesmal vom 13.-15.3.17 bei frühlingshaftem Wettter unter Leitung der Kolleginnen Silke Hertel und Birgit Spinath an der Uni Heidelberg statt (nach Kiel 2013, Frankfurt 2014, Bochum 2015 und Berlin 2016). Rund 1100 Teilnehmende haben sich angemeldet, das Konferenzprogramm steht unter dem wichtigen Thema „Durch Bildung gesellschaftliche Herausforderungen meistern“ und umfasst viele spannende Beiträge (allein schon 114 Poster, von den hunderten an Symposien und Einzelvorträgen nicht zu reden)! Kein Wunder also, dass ich mich inhaltlich auf ein paar Eindrücke von den Keynote Lectures und vom Gesellschaftsabend in der Stadthalle beschränke. Inspirierend war natürlich das Konzept von Birgit Spinath „How to Heidelberg“, das mir nochmal klarmachte, dass ich immer noch nicht das Badnerlied auswendig beherrsche…
Manfred Prenzel (TU München) hat in seinem Eröffnungsvortrag unter dem Titel „Empirische Bildungsforschung in Deutschland – eine kleine Zwischenbilanz“ einen Lagebricht zur empirischen Bildungsforschung in Zeiten von PIAAC und PISA geliefert. Er ging dabei auch auf die Kritik an dieser Bewegung ein, die gerade im letzten Jahr nochmals lautstark vorgetragen wurde (zusammenfassend: Klaus-Jürgen Tillmann, Z Erziehungswiss (2016) (Suppl 1) 19:5–22, DOI 10.1007/s11618-016-0705-3). Bei derzeit 100 empirischen unter 900 insgesamten Professuren für Bildungsforschung kann nicht von einer zahlenmäßigen Dominanz ausgegangen werden. Dennoch ist klar, das in Zeiten evidenzbasierter Entscheidungsfindung diesen Empirikern große Bedeutung zukommt. Prenzel machte deutlich, dass es neben Forschung auch um Lehre, Politik und Infrastruktur geht – eine einseitige Konzentration auf (manchmal nicht gut replizierbare) Forschung sei nicht ausreichend. Analog zum Mediziner-Modell „from bench to bedside“ braucht es auch in der Bildungsforschung Transalation: Was folgt etwa aus der legendären Hattie-Studie für den konkreten Unterrichtsalltag?
Für die Posterausstellung, die in der Neuen Aula untergebracht war (leider bei erhaltener Bestuhlung), gab es als Besonderheit die Gelegenheit zur einer Weinprobe: Das Pfälzer Weingut Karst (Dank an Karina Karst für diesen Kontakt) bot Rot- und Weißweine zu kleinen Preisen an und man konnte seine Weinverkostung im Gespräch am Poster vertiefen.
Ludger Wößmann (LMU München) hat in der Mittagsvorlesung „Das Wissenskapital der Nationen: die Rolle von Bildung für wirtschaftlichen Wohlstand“ am Dienstag die Rolle von Bildung für wirtschaftlichen Wohlstand beleuchtet. Seine Botschaft, die er zusammen mit Eric Hanushek in ihrem 2015 publizierten Buch „The Knowledge Capital of Nations: Education and the Economics of Growth“ (hier mehr dazu) festgehalten haben: kognitive Kompetenzen („cognitive skills“) sind die Treiber von Wirtschaftswachstum. Und in Bezug auf die Frage, ob wir nun „Rocket Scientists“ (Förderung des oberen Randes) oder „Education for All“ (Förderung des unteren Randes) brauchen, gibt es ebenfalls eine klare Antwort: das „oder“ ist falsch, wir brauchen sowohl als auch! Für unterentwickelte Nationen ist eine Konzentration auf die Spitze sinnvoll, um ein paar „Treiber“ zu haben, für entwickelte Nationen dagegen nicht mehr! – Zusätzliche Lese-Empfehlung im Luther-Jahr: „Luther and the girls“, DOI 10.1111/j.1467-9442.2008.00561.x.
Judith Harackiewicz (University of Madison, Wisconsin, USA) hat in ihrem Vortrag „Promoting Interest and Performance in Science: The Importance of Values“ verblüffend einfache und erfolgreiche Interventionen zur Steigerung von Interesse und Leistung in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern vorgestellt. Studierende, die über die Nützlichkeit bestimmter Studieninhalte reflektiert haben, haben verstärktes Interesse am Fach und dadurch bedingt auch bessere Leistungen gezeigt. Bei Schülern hat es bereits gereicht, die Eltern mit einer Broschüre über die Wichtigkeit von Mathematik und Naturwissenschaften zu informieren (hier die zugehörige Webseite); deren Kinder wählen später Kurse mit solchen Inhalten weitaus häufiger als andere Kinder.
Schließlich widmete sich Claudia Buchmann (Ohio State University, USA) „Challenging Gender Inequalities: Next Steps for Scholars and Schools“ in der Mittagsvorlesung am Mittwoch dem Thema der Gender Inequalities aus soziologischer Sicht (den Vortrag konnte ich leider nicht hören).
Der Gesellschaftsabend in der Stadthalle Heidelberg, an dem 650 angemeldete Personen teilnahmen (ausverkauft! Angeblich waren Karten nur noch über den Schwarzmarkt zu erhalten), bestand nicht nur aus einem leckeren Essen, sondern enthielt auch musikalische Leckerbissen. Das Besondere dabei: eine durch peer-review qualitätsgeprüfte Selektion von akademisch hochqualifizierten DJs und DJanes war am Mischpult mit so geheimnisvollen Namen wie DJ Dirty Dirk (aka Dirk Hagemann), DJane MissED (aka Birgit Spinath), DJane Mix Tape (aka Ulrike Kessels), DJ Psychokiller (aka Markus Dresel) oder DJ PF feat. Varimax (aka Jan-Henning Ehm – – leider verhindert), Promax (aka Johannes Hartig), Equimax (aka Florian Schmiedek); dagegen ist DJ Funk, aka Joachim Funke, ja fast schon ein Klarname und zumindest in Heidelberg mit seinem Programm aus den 60er Jahren schon seit längerem bekannt. Es wurde fleissig getanzt und – wie mir berichtet wurde – ging es für einige Unverdrossene auch nach Schliessung der Stadthalle gegen 2 Uhr morgens noch weiter…
Alles in allem eine tolle Tagung! Danke, liebe Birgit und liebe Sllke, aber auch Danke an das gesamte Team im Hintergrund, das alles so reibungslos organisiert hat! Ich habe in zahlreichen Gesprächen sehr positives Feedback zur Konferenz bekommen und konnte mich immer wieder davon überzeugen, dass tatsächlich viele Gespräche stattfanden. Ich selbst habe viele Personen wiedergetroffen, die ich länger nicht mehr gesehen habe. Wissenschaft ist (auch) Kommunikation – die 5. GEBF-Tagung hier in Heidelberg war eine gelungene Plattform dafür und hat hohe Standards gesetzt! Die 6. GEBF findet übrigens 2018 in Basel statt.