Kommt die Hogrefe-Universität?

Wie einer Pressemitteilung zu entnehmen ist (Danke an meine Informanten!), hat der für die Psychologie wichtige Fachverlag Hogrefe aus Göttingen eine strategische Partnerschaft mit der Privaten Hochschule Göttingen gestartet. Das ist natürlich eine interessante Entwicklung, die wir beobachten müssen.

Der privatwirtschaftlich betriebene Studiengang kostet Studiengebühren (700,- Euro monatlich, dazu kommen einmalig 420,- Euro Immatrikulationsgebühr und 1.000,- Euro Prüfungsgebühren pro Studiengang). Die neuen Studienangebote im Überblick:

  • Psychologie, Bachelor of Science, 8 Semester, 180 ECTS; Zugangsvoraussetzung: Hochschulzugangsberechtigung;
  • Psychologie, Master of Science, 6 Semester, 120 ECTS; Zugangsvoraussetzung: Bachelor-Abschluss (180  ECTS) in einem psychologischen Studienfach;
  • Wirtschaftspsychologie, Bachelor of Arts, 8 Semester, 180 ECTS; Zugangsvoraussetzung: Hochschulzugangsberechtigung;
  • Wirtschaftspsychologie, Master of Arts, 6. Semester, 120 ECTS; Zugangsvoraussetzung: Bachelor-Abschluss (180 ECTS) einer fachlich eng verwandten Studienrichtung
  • Angewandte Wirtschaftspsychologie, Master of Arts, 3 Semester, 60 ECTS; Zugangsvoraussetzung: erster Studienabschluss eines nicht-psychologischen Studienfachs

Alle Studiengänge befinden sich gegenwärtig im Akkreditierungsverfahren bei der ZEvA (Zentrale Evaluations- und Akkreditierungsagentur, Hannover); zwischenzeitlich scheint die Akkreditierung erfolgt zu sein: siehe den interessanten Bericht über das Verfahren hier. Die Studiengänge in Psychologie bzw. Wirtschaftspsychologie werden als Campusstudium und als Fernstudium angeboten. Für die Fernstudierenden werden an verschiedenen Orten sog. Fernstudienzentren angeboten, darunter auch in Heidelberg.

Natürlich sieht die privatwirtschaftlich betriebene Hochschule den lukrativen Markt vor sich: viele Studieninteressierte treffen auf NC-verschlossene Türen (in Heidelberg kommen jährlich >6000 Bewerbungen auf die 90 BSc-Plätze, bei den meisten anderen Unis ist es ähnlich) und suchen nach Alternativen. Schweiz, Niederlande, Luxemburg und Österreich sind potentielle Ausweichorte im Ausland. Die privaten Hochschulen im Inland sind da ebenfalls potentielle Adressen.

Für uns in Heidelberg bedeutet es: wir müssen unser Auswahlverfahren für den Masterstudiengang umstellen! War bislang überwiegend eine gute BSc-Note für die Zulassung entscheidend, muss es zukünftig vermehrt um Psychologie-nahe Kompetenzen gehen. Ein entsprechender Kompetenz-Test wird zeigen müssen, was Bewerberinnen und Bewerber inhaltlich und methodisch können. Wir merken schon länger an den Master-Bewerbungen die steigende Zahl privatwirtschaftlicher BSc-Abschlüsse.

Übrigens hat auch die in Heidelberg ansässige SRH ihren Spielraum vergrößert: Sie hat sich mit einer Investition von 18 Mio Euro eine (kleine) Universität gekauft (siehe hier), die wohl infolge der Machenschaften ihres früheren Präsidenten (Verdacht auf Untreue) Schiffbruch erlitten hat: die European Business School (EBS) in Oestrich-Winkel bei Wiesbaden (ich musste erst mal auf die Landkarte schauen…). Für den Neuanfang hat die SRH laut einem Bericht im Handelsblatt vom 29.7.16 auch die Psychologie auf dem Schirm: „Der neue Eigentümer kann sich durchaus vorstellen, dass die Uni einmal nicht mehr nur zwei, sondern drei Fakultäten hat. ‚Da sind wir in allerersten Gesprächen‘, ordnet Jörg Winterberg ein. Er ist Chef der SRH Higher Education, in der die rechtlich eigenständigen Hochschulen der Gruppe gebündelt sind. Die SRH mache viel in den Bereichen Gesundheit und Psychologie, das Interesse, in diesen Feldern etwas anzugehen, sei da.“

Dass die privaten Studiengänge und deren Abschlüsse auch vor Gericht landen können, zeigt eine Meldung mit dem erstaunlichen Titel „Psychologe muss Psychologie studiert haben“ – dass dies überhaupt in Frage gestellt wird, überrascht mich doch ein wenig. Aber die privaten Anbieter lassen nichts auf ihre Ausbildung kommen: Die Campus Akademie GmbH hat dem Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) per Gerichtsbeschluss untersagen lassen, wettbewerbswidrige Darstellungen über sie zu verbreiten – also Vorsicht! Der BDP hatte ja schon vor einiger Zeit seine eigene Psychologische Hochschule Berlin gegründet – damit hat man beim BDP die Unschuld verloren und die Türe zu Konkurrentenklagen geöffnet.

Und schließlich noch der Hinweis: Auch ein Doktorat kann privatwirtschaftlich organisiert werden: die University of Nicosia (siehe meinen frühren Blog-Beitrag vom Mai 2015) mit ihrer Außenstelle in Wien bietet da interessante Möglichkeiten

Die akademische Welt: Früher hatte sie ihre eigenen Spielregeln (zugegeben nicht immer vorbildlich; „Unter den Talaren Muff von 1000 Jahren“), doch inzwischen wird Bildung immer mehr zu einem (sehr lukrativen) Geschäft, bei dem traditionelle Hochschulen nur zusehen und staunen können. Die Kommerzialisierung der Forschung geht mit einer Kommerzialisierung der Lehre einher. Dass dabei auch Gerichte bemüht werden müssen, zeigt den Ernst der Lage. Wie gut die Ausbildung wirklich ist, kann man nicht genau sagen – bei der PFH Göttingen ist der Lehrkörper nicht sofort zu erkennen (siehe aber hier). Die Einheit von Lehre und Forschung wird wohl bis auf einzelne Ausnahmen nicht mehr gegeben sein. Reine Lehranstalten stehen damit Lehr- und Forschungseinrichtungen gegenüber, ein Kulturunterschied, den wir schon aus der Debatte um Fachhochschulen und Universitäten kennen und der sich ja auch in der höheren Lehrverpflichtung von FH-Professoren äußert (in der Regel doppelt so hohe Lehrdeputate). Immerhin werden neue Stellen geschafffen (siehe hier und hier).

In den USA haben sich interessanterweise die privaten Hochschulen infolge großzügiger Stifter zu Orten der Spitzenforschung entwickelt („Ivy League„) und sind vielfach staatlichen Hochschulen überlegen. In Europa ist das nicht zu erkennen. Die hiesigen Investoren sind auch nicht die typischen selbstlosen Mäzene, sondern in den meisten Fällen Geldanleger mit Gewinnabsicht.

Die Hogrefe-Partnerschaft ist  nur ein kleines Detail in einem großen Spiel, bei dem mit Bildung als Ware gehandelt wird. Ich bin sehr froh, dass in der „Grundordnung der Universität Heidelberg“ (hier zum Download) nicht nur die Wappenfarbe festgelegt wird, sondern viel wichtiger in der Präambel gesprochen wird von der „Verpflichtung [der Uni Heidelberg, J.F.], der Wahrheit, der Freiheit und der Menschlichkeit zu dienen“.  Das sind doch – zusammen mit unseren beiden Wahlsprüchen „semper apertus“ und „Dem lebendigen Geist“ – klare Worte und klare Werte im Zeitalter von Mammon!

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