Der schwedische Kognitionspsychologe Berndt Brehmer ist im Alter von 74 Jahren in Uppsala gestorben (11.5.1940-19.5.2014). Brehmer war einer der international sichtbaren Forscher seines Landes, der seit den 1970er Jahren Arbeiten zur Social Judgment Theory, zu multiple-cue probability learning, zu Dynamic Decision Making und zu Distributed Decision Making anregende und provozierende Paper veröffentlicht hat. Von der Universität Uppsala, an der er lange beschäftigt war, ist er später an das „Swedish National Defence College“ gewechselt, wo er auch über seine Pensionierung hinaus an verbesserten Command-Control-Strukturen interessiert war.
Meine eigene Verbindung zu Berndt datiert in die frühen 90er Jahre zurück. Als junger Assistent an der Uni Bonn hatte ich das Glück, Partner eines EU-Projekts zu sein, in dem Donald Broadbent gemeinsam mit europäischen Partnern implizite Lernprozesse untersuchte. In diesem Rahmen (sowie in weiteren darauf folgenden EU-Projekten) lernte ich Berndt kennen und habe lebhafte Diskussionen mit ihm führen können. Seine 1993 mit Dietrich Dörner veröffentlichte Arbeit „Experiments with computer-simulated microworlds: Escaping both the narrow straits of the laboratory and the deep blue sea of the field study“ war natürlich ein Streitthema, stellt aber aus heutiger Sicht eine gute Begründung dieser Art von Forschung dar.
Seine zahlreichen Arbeiten über Feedback-Delays – er verwendete eine spezielle Variante der Computersimulation „Fire Fighting„, in der kollaboratives und kooperatives Problemlösen untersucht werden konnte – hatten mich bereits während meiner Doktorarbeit beschäftigt. Einer seiner Titel – 1980 in Acta Psychologica publiziert – trug den legendären Titel „In one word: Not from experience“, in dem er argumentierte, dass in klinischer Urteilsbildung beim Umgang mit Wahrscheinlichkeiten Erfahrung kaum eine Rolle spielt, sondern Urteilsverzerrungen (biases) dominieren. Sein Beitrag von 1995 über die verschiedenen Arten von Feedback in dem von Peter Frensch und mir herausgegebenen Band „Complex problem solving: The European perspective“ ist bis heute ein Klassiker.
Zweimal hatte ich das Glück, ihn und seine Frau Annika in Uppsala besuchen zu können. Einmal anläßlich der Disputation von Anders Jansson (1997), bei der ich als „opponent discussant“ zur öffentlichen Gegenrede an die Universität Uppsala eingeladen war – und das zweite Mal drei Jahre später mit der gleichen Prozedur, diesmal anläßlich der Disputation mit dem Kandidaten Georgios Rigas (2000). Beide Male waren meine Einwände gegen die Thesen der Doktoranden von ihnen entkräftet worden, so dass die Kandidaten promoviert werden konnten. Teil dieser eindrucksvollen Prozedur, die nach 400 Jahre alten Regeln abgewickelt wurde, war übrigens die Art der Veröffentlichung der Dissertation – das gedruckte Exemplar wurde mit einem 15cm langen Nagel an eine Holzwand innerhalb der Universität genagelt, wo bereits zahlreiche andere veröffentlichte Dissertationen hingen. Spektakulär! Promotionsfeiern in Schweden haben ganz eigene Rituale, wie ich damals gelernt habe – from experience!
Unvergessen auch die Einladung in Berndts kleines Appartment in Uppsala, wo es natürlich Elch-Fleisch zu essen und viel Wein zu Trinken gab… Das ist nun alles Vergangenheit, aber nicht vergessen. Und seine Ideen leben sowieso weiter! Ein letztes Mal also: Hejdå!
see also http://c4i.gmu.edu/2014/06/tribute-to-berndt-brehmer/