Symphonien komponieren – aber richtig!

Von unserer Honorarprofessorin Lenelis Kruse erhielt ich folgenden amüsanten Text (Quellenangabe am Ende), der die Business-Perspektive im Hochschulbereich karikiert:

Ein erfolgreicher Controller bekommt von Vorstandskollegen zum Geburtstag eine Konzertkarte für Schuberts „Unvollendete“ geschenkt. Sie fragen ihn später, wie es war. Er zückt seine Notizen und präsentiert folgende Analyse:

„Erstens waren die meisten Spieler trotz voller Bezahlung beträchtliche Zeit wenig ausgelastet oder völlig unbeschäftigt, besonders die Bläser mit den dicken Holzrohren und die Schlagwerke. Hier ließen sich Verschlankungen vornehmen, indem deren Aufgaben auf das ganze Team umgelegt würden, um Spitzenbelastungen abzufedern und unproduktiven Leerlauf zu unterbinden.

Zweitens spielten fast immer mehrere Instrumente die gleichen Noten. Hier liegt eine dysfunktionale, unübersichtliche Doppelung von Aufgabenstrukturen vor, die Beschäftigtenzahl könnte drastisch vermindert und das Management entlastet werden. Sollte das Produkt zur Markenplatzierung oder Qualitätssicherung wirklich größere Lautstärke erfordern, wäre der Einsatz von Verstärkern eine kostengünstige Lösung.

Drittens wurden mehrfach gleiche Tonfolgen von anderen Instrumenten wiederholt. Solche Wiederholungen bereits bearbeiteter Passagen sind überflüssig. Durch Rationalisierung redundanter Teilwerke ließe sich das Stück um schätzungsweise 30% verkürzen. Die intensivierte Arbeitsplatzformulierung wäre für die Mitarbeiter eine motivierte Herausforderung. Infolge Preiselastizität würde die Nachfrage sich erhöhen, eine verdichtete Platzierung mehrerer Stücke im selben Konzert wäre möglich. Hierdurch bestehen neue Marketing-Chancen (Package-Angebote). Beschleunigte Herstellungsprozesse lassen sich durch leistungsorientierte Ergebnisbeteiligung stützen, besonders für den Dirigenten.

Viertens fordert die Herstellung und Einhaltung der Halb- und Gleittöne erheblichen Aufwand. Diese überflüssige Verfeinerung ließe sich durch regelmäßige Aufrundung auf den nächsten vollen Ton einsparen. Die Maßnahme würde auch den Einsatz von Angelernten und Subunternehmern anstelle hochbezahlter Fachkräfte ermöglichen und die Lohnnebenkosten senken.

In Anbetracht der strukturellen Defizite seiner Arbeitsweise hätte der Komponist bei professionellem Management oder kompetenter Beratung seine Arbeit wahrscheinlich vollenden können.“

[Quelle: Editorial der „Zeitschrift für Politische Psychologie“ 1998, 6 (3), 265]

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