Am 16.5.13 fand die Marsilius-Vorlesung in der alten Aula statt: „Evolution des Denkens“ hieß der Vortrag von Prof. Dr. Onur Güntürkün (Uni Bochum), der die volle Aula in seinen Bann zog. Vor dem Hintergrund vergleichender Forschungen aus der Neurobiologie zeigt er, dass es viele evolutionäre Wege zur Entwicklung komplexer Denkprozesse gibt und die Entwicklung des Homo sapiens nur einer davon ist. So zeigen Untersuchungen an Vögeln, dass diese einen ganz eigenen Weg bei der Evolution ihres Vorderhirns und des Denkens eingeschlagen haben, womit sie kognitive Leistungen erbringen können, die auf dem Niveau von Schimpansen liegen oder dieses teilweise sogar übertreffen. Auch ohne Neocortex lassen sich wohl einige Probleme souverän lösen.
Gut gefallen hat mir seine Veranschaulichung mancher Argumente, so z.B. die Beobachtung, dass mit steigendem Gehirngewicht keinesfalls die Intelligenz wächst. Entscheidend dafür ist der Enzephalisationsquotient. Darunter versteht man die Relation vom gemessenen zum erwarteten relativen Hirngewicht – beim Menschen erreicht dieser Wert ein Maximum in bezug auf seine Vergleichsgruppe der Säugetiere. Derartige Nichtproportionalität verdeutlichte er z.B. anhand von Sardellen: „Stellen Sie sich einen Sardellenliebhaber vor, der allein immer die 100g-Dose Sardellen mit 10 Stück darin nimmt. Lädt er vier Gäste zu sich zum Sardellenessen und kauft die 500g-Dose, findet er dort jedoch nur 38 Sardellen, die in mehr Öl eingelegt sind, und nicht 50, wie erhofft“.
Komparative Verhaltensforschung macht deutlich, dass verschiedene Spezies ähnliche Probleme lösen mussten, dafür aber verschiedene Mittel zur Anwendung brachten. Zentrale Hirnstruktur für problemlösendes Verhalten beim Säugetier wurde der präfrontale Kortex, bei den Vögeln das Nidopallium caudolaterale. Dank dessen – so Güntürkün – können Vögel wie Säugetiere kognitive Teilfunktionen situationsgemäß koordinieren. Spannende Erkenntnisse, die uns die Komparatistik hier liefert!
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