IWR wird 25

Das „Institut für Wissenschaftliches Rechnen“ (IWR) an der Universität Heidelberg mit über 600 wissenschaftlichen Mitarbeitern feiert heute sein 25jähriges Bestehen – wir vom Psychologischen Institut gratulieren herzlich und wünschen weiterhin erfolgreiche Forschung! Frühzeitig wurde dort erkannt, dass neben Theorie und Empirie eine dritte Säule wissenschaftlicher Erkenntnis besteht: die Simulation! Mathematische Modellierung (und Optimierung) ist inzwischen zur Selbstverständlichkeit in vielen Zweigen der Wissenschaft geworden – das IWR hat dies bereits sehr frühzeitig hellsichtig und erfolgreich umgesetzt. Die Formalisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse mit Hilfe der Mathematik ist eine treibende Kraft wissenschaftlichen Fortschritts – auch die moderne Psychologie hat im 19. Jahrhundert mit formalen Modellen (psychophysische Gesetze von Weber und Fechner) ihre ersten Erfolge gefeiert.

Dass wir heute in der Psychologie nicht mehr so große Sprünge machen, hängt vielleicht damit zusammen, dass wir zu sehr am linearen Modell hängen geblieben sind und andere Modelle nicht genügend erprobt und umgesetzt haben. Vielleicht kommt es zu einer neuen Blüte psychologischer Forschung, wenn wir das vollständige Inventar mathematischer Modelle in die Hand nehmen. In den Lehrbüchern der Physik und der Biologie sind lineare Modelle selten, in den Lehrbüchern der Psychologie sind sie vorherrschend. Vielleicht ein Fehler?

In meinen eigenen Forschungen hat sich dies niedergeschlagen in der Kooperation mit Sebastian Sager (heute Uni Magdeburg) und Katja Mombaur – eine Kooperation, die Hans-Georg Bock und ich angestossen haben, als wir uns 2008 bei einem Marsilius-Fest im Garten von Haus Buhl bei einem Glas Sekt über die in Heidelberg wenig sichtbaren Verbindungen zwischen Mathematik und Psychologie unterhalten haben und beschlossen, das zu ändern. Es ist einiges dabei herausgekommen:

  • Engelhart, M., Funke, J., & Sager, S. (2013). A decomposition approach for a new test-scenario in complex problem solving. Journal of Computational Science, 4, 245-254. doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.jocs.2012.06.005
  • Sager, S., Mombaur, K., & Funke, J. (2013). Preface to Special Issue on Scientific Computing for the Cognitive Sciences. Journal of Computational Science, 4, 242-244. doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.jocs.2012.12.001
  • Sager, S., Barth, C., Diedam, H., Engelhart, M., & Funke, J. (2011). Optimization as an analysis tool for human complex decision making. SIAM Journal on Optimization, 21, 936-959. http://dx.doi.org/10.1137/11082018X
  • Sager, S., Barth, C., Diedam, H., Engelhart, M., & Funke, J. (2010). Optimization to measure performance in the Tailorshop test scenario – structured MINLPs and beyond. In P. Bonami, L. Liberti, A. J. Miller & A. Sartenaer (Eds.), Proceedings of the European Workshop on Mixed Integer Nonlinear Programming (pp. 261-269). Marseille: Université de la Méditerranée.

Neben den Publikationen hat es auch im Herbst 2010 ein Internationales Symposium „Scientific Computing for the Cognitive Sciences“ am IWH Heidelberg gegeben, das Katja, Sebastian und ich gemeinsam organisiert haben. Dass daraus ein Special Issue des Journal of Computational Science entstand, war nur folgerichtig. Zwei gemeinsam betreute Promotionen sind noch in Arbeit, more to come.

Mit der Kooperation in Sachen „Optimierung des Szenarios TAILORSHOP“ (auf Deutsch: „Schneiderwerkstatt“) ist uns – so glaube ich – ein gutes Stück Forschung gelungen, das zur Wiederbelebung einer Mikrowelt führte, die wir früher abgelehnt hatten, da im nichtlineraren Gleichungsgefüge keine Optimallösung bestimmbar schien. Da wurden wir eines besseren belehrt! Heute bestehen Möglichkeiten, bereits auf der Ebene individueller Entscheidungen (z.B. „2 neue Lieferwagen im 3. Monat anschaffen“) diese direkt zu bewerten in Hinblick auf ihre Konsequenzen für den Gesamterfolg nach z.B. 12 Monaten Spielgeschehen.

Natürlich gehen die Kooperationsmöglichkeiten mit dem IWR weit über die TAILORSHOP-Optimierung hinaus. Es wäre schön, wenn diese Potentiale zur Entfaltung kämen. Die Psychologie braucht Modellierung und Simulation ganz dringend auch für unseren ureigenen Forschungsgegenstand, nicht nur zur Analyse des Reizmaterials! Die Kooperationsbereitschaft am IWR ist hoch und ich kann die Kontaktaufnahme nur empfehlen! Dass neben den fachlichen Kooperationen auch private Bindungen entstanden sind, ist ein weiterer schöner Nebeneffekt 🙂

Möge das IWR seine Arbeit auch weiterhin so erfolgreich fortsetzen!

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