ICP 2012 in Kapstadt: Psychology serving humanity!

Seit ihrem ersten Kongress in Paris im Jahr 1889 (!) treffen sich Psychologen aus aller Welt alle vier Jahre zum „International Congress of Psychology“, dieses Jahr zum 30. Mal in Kapstadt (hier ist die Liste aller bisherigen Konferenzen). Ausrichter ist die „International Union of Psychological Science“ (IUPsyS). Für den afrikanischen Kontinent eine Premiere: noch nie hat zuvor ein psychologischer Weltkongress in Afrika stattgefunden. Entsprechend stolz waren die lokalen Ausrichter über die Entscheidung der IUPsyS, nach Berlin 2008 nun Kapstadt 2012 als Veranstaltungsort zu wählen. Präsident der IUPsyS war bis eben übrigens ein Deutscher, nämlich Kollege Rainer Silbereisen aus Jena. Ab sofort ist es für die nächsten vier Jahre Saths Cooper, der Präsident der Südafrikanischen Psychologenvereinigung.

Kein Wunder, dass bei diesem Kongressort afrikanische Teilnehmer (und afrikanische Themen) stark vertreten sind! Am Eröffnungsabend begeisterte Friedensnobelpreisträger und Erzbischof Desmond Tutu die über 5000 Teilnehmer mit der launigen Bemerkung „God made no mistake when he created black people“! Das gab standing ovations!

Das Kongressmotto „Psychology serving humanity“ wird an vielen Stellen der vielen vielen Konferenzbeiträge angesprochen: Was kann unser Fach zur Verbesserung der Lebensumstände beitragen? Dafür wurden viele Vorschläge vorgetragen, die alle psychologischen Anwendungsbereiche umfassen. Insbesondere politische Entscheidungen, die das Leben vieler Menschen betreffen, sollten besser als bisher psychologische Erkenntnisse berücksichtigen – dafür müssen wir sie allerdings verständlich und umsetzbar vortragen! „Giving psychology away“ hat bereits George Miller (der mit den 7 plus minus 2 chunks im Gedächtnis) in seiner Zeit als APA-Präsident vor mehr als 50 Jahren gefordert. Die aktuelle Konferenz macht deutlich: Das ist eine Bringschuld, die wir noch nicht genügend abgetragen haben. „Translational research“ heisst das Zauberwort – das ist nicht einfach, aber muss gemacht werden!

Was gab es noch? Albert Bandura wurde für sein Lebenswerk gewürdigt – neben Sigmund Freud, Burrhus F. Skinner und Jean Piaget einer der am meisten zitierten Psychologen weltweit! In einer „Capetown Declaration“ wurde zudem die Gründung einer Pan-Afrikanischen Psychologenunion beschlossen.

Zwei gut besuchte Symposien zum Thema „Complex Problem Solving“ – von Jens Fleischer und Samuel Greiff organisiert – präsentierten die massgeblich von unserer Heidelberger Gruppe geprägten Neuentwicklungen zur Konzeption und Messung des Konstrukts, das zu den Schlüsselqualifikationen im 21. Jahrhundert gezählt wird. Toll, hier eine so positive Resonanz zu sehen! Jeweils rund 70 Leute (mehr passten beim besten Willen nicht in den überfüllten Raum) waren am Thema CPS interessiert! Und wir überlegen gerade, ob wir das kleine „g“ (steht seit Spearman für „general intelligence“) nicht durch ein kleines „p“ (für „problem solving ability“) ergänzen sollen 🙂

Einer der invited speakers, David Myers, hat ein paar interessante Tools vorgestellt, von denen ich hier zwei mal zum Ausprobieren vorschlagen möchte: (a) ngram viewer von GoogleLabs: zeigt auf der Basis von >5 Mio eingescannten Büchern die Vorkommenshäufigkeit von beliebigen Wörtern über die letzten 100 Jahre; (b) Coh-Metrix, ein Tool von Art Graesser und seiner Gruppe in Memphis, TS, mit dem man beliebige (englische) Texte nach verschiedensten psycholinguistisch interessanten Merkmalen auswerten kann.

Gut gefallen hat mir auch Barbara Wilson mit ihrem eingeladenen Vortrag zu „Cognitive Neurorehabilitation“: Eine der für sie aussichtsreichsten Verfahren in diesem Bereich sieht sie in der „Problem Solving Therapy“, dem Training exekutiver Funktionen. An diesem Ende arbeiten wir mit unserer Heidelberger Gruppe ja ebenfalls seit einigen Jahren (Stichwort „Plan a Day“) und haben jetzt gerade erste erfolgversprechende Arbeiten publiziert.

Die state-of-the-art Vorlesung von Elisabeth Loftus war ebenfalls sehr beeindruckend: 40 Jahre Forschung zum Thema „False memories“ haben viele interessante Phänomene aufgedeckt. Nicht nur hat sie das InnocentProject initiiert, das inzwischen mehr als 300 (wegen falscher Zeugenaussagen) unschuldig Verurteilte wieder aus den Gefängnissen geholt hat – auch zum Thema sexueller Missbrauch von Kindern durch Eltern hat sie klare Worte gefunden.

Daneben bleibt aber auch Zeit, sich die Stadt mit 3.5 Mio Einwohnern und 1 Tafelberg anzuschauen oder das Umland zu erkunden – nach Wahl die atlantische oder die indische Seite des Ozeans 🙂 Allerdings merkt man die Winterzeit: selbst die Pinguine tragen Jacken! Großartig: Die Safari im Aquila Game Resort! Das ist etwas anders als im Heidelberger Zoo, den ich im übrigen auch sehr gerne besuche… Und tief bewegt hat uns alle ein Besuch in den Townships, wo ca. 2 Mio der insgesamt 3.5 Mio Einwohner Kapstadts unter extrem einfachen Bedingungen leben. Die Geschichte des District Six ist deprimierend…

Übrigens: 2016 findet der Kongress in Yokohama und 2020 in Prag statt. Be prepared to see me there!

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