Vor kurzem hat Dr. Nina Zweig in unserem Kolloquium über Netzwerkanalyse gesprochen – als Konsequenz daraus habe ich jetzt das Buch „Small Worlds“ des Physikers und Journalisten Mark Buchanan gelesen, der die Entwicklungslinien in diesem neuen Forschungsgebiet wirklich sehr schön lesbar darstellt. Worum geht es? Small Worlds: das geht zurück auf Stanley Milgrams Entdeckung in den 1960er Jahren, wonach jeder Mensch mit jedem anderen über nur 6 Zwischenschritte verbunden ist – und das bei > 6 Milliarden Knoten!
Tatsächlich hat sich aus einer eher zufälligen Idee ein fundamentaler Zweig der Netzwerktheorie entwickelt, der in verschiedendsten Anwendungskontexten zum Einsatz kommt (z.B. soziale Netzwerke, Flussnetze, Neuronenverbände, Epidemien, Ökosysteme, Internet, Verteilung von Reichtum und Armut). Ganz wesentlich sind dabei die „weak ties“ im Unterschied zu den „strong ties“: Die (vielen) starken Kanten verbinden die Netzwerkknoten im Nahbereich, die (wenigen) schwachen Kanten überbrücken große Distanzen (siehe den Graphen rechts).
Interessanterweise spielt die Potenzfunktion (und damit auch die Pareto-Verteilung) hier auch eine entscheidende Rolle: Knoten mit sehr vielen Verbindungen (Superknoten oder hubs) kommen deutlich seltener vor als „normale“ Verbindungsdichten. Das alte Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben!
Sehr abstrakte Überlegungen zur Form von Vernetzungen geben Aufschlüsse über Störbarkeit bzw. Stabilität, über Verbindungen und kürzeste Wege – der einzelne Knoten bedeutet dabei kaum etwas im Vergleich zur besonderen Struktur des Netzwerks. Wie erkennen Menschen Eigenschaften solcher Netzwerke? Welche Eigenschaften sind leicht zu erkennen, welche kaum? Viele Fragen!
Also: Spannende Einblicke in die moderne Komplexitätstheorie! Sehr empfehlenswert:
Buchanan, M. (2002). Small Worlds: Das Universum ist zu klein für Zufälle. Frankfurt: Campus. (bei Amazon ausverkauft)
Mitchell, M. (2009). Complexity: A guided tour. Oxford: Oxford University Press.