Mein Gehirn und ich

Fuchs BuchtitelAuszug aus einem empfehlenswerten Buch unseres Heidelberger Psychiaters Thomas Fuchs:

„… was der Hirnforscher heute auf seinen Tomogrammen sieht, ist nicht ‚Sitz der Seele‘, nicht die Person selbst, ja nicht einmal ihr einziges Trägerorgan. Diese Behauptung wird weithin auf Ungläubigkeit treffen. Ist denn nicht längst erwiesen, dass alles, was uns als Personen ausmacht, in den Strukturen und Funktionen des Gehirns besteht? – Nun, gewiss bestreitet niemand, dass das Gehirn inniger mit der Subjektivität und Personalität eines Menschen verknüpft ist als etwa seine Hand oder seine Milz – ohne diese wäre er immer noch die gleiche Person wie zuvor. Nach vollständigem Erlöschen aller Grosshirnfunktionen jedoch würde er zwar noch leben, könnte aber nichts mehr erleben und sich in keiner Weise mehr zum Ausdruck bringen. Doch können wir deshalb eine Person mit ihrem Gehirn identifizieren?

Nun, was mich selbst betrifft, so habe ich mein Gehirn zwar noch nicht kennengelernt, aber jedenfalls ist es nicht 1,82 Meter groß, es ist kein Deutscher, kein Psychiater; es ist auch nicht verheiratet und hat keine Kinder. Das stellt meine Bereitschaft zur Identifikation mit diesem Organ bereits auf eine harte Probe. Aber es wird noch bedenklicher: Mein Gehirn sieht auch nichts und hört nichts, es kann nicht lesen, nicht schreiben, tanzen oder Klavier spielen – eigentlich kann es selbst überhaupt nur wenig. Es moduliert elektrophysiologische Prozesse, weiter nichts. Recht besehen, bin ich doch recht froh, nicht mein Gehirn zu sein.“ (Fuchs, 2008, S. 14)

Ein Text, der mich schmunzeln läßt und der auch in seinen nachfolgenden Ausführungen eine Position vertritt, die ich für sehr gut begründet halte. Also: wer noch Ferienliteratur sucht:

Fuchs, T. (2008). Das Gehirn – ein Beziehungsorgan. Eine phänomenologisch-ökologische Konzeption. Stuttgart: Kohlhammer. (Link zu Amazon)

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