Studiengebühren, die Zweite

Tatsächlich scheint nun etwas einzutreten, was ich kaum für möglich gehalten habe: Wir streiten uns um den Goldregen, der uns in den Schoß gefallen ist. Dieser Goldregen beträgt knapp 250.000 für dieses Semester – die größte frei verfügbare Summe, die ich hier je gesehen habe! Worum geht der Streit? Um den Buchstaben des Gesetzes, genauer um die Frage, was daraus finanziert werden soll. Da der Gesetzgeber sehr unspezifische Vorgaben gemacht hat, ist der entsprechende Beschluss des Senats der Uni HD vom 30.1.07 massgeblich (siehe http://www.zuv.uni-heidelberg.de/studsekr/stud-geb/index.htm). Dort heißt es:

„Die Mittel werden für zusätzliche Leistungen verwendet, z.B. zur Verbesserung der Betreuungsrelation. Leistungen die bereits jetzt aus dem Haushalt gedeckt werden, müssen in gleichem Umfang weitergeführt werden. Reguläre Haushaltsmittel dürfen nicht durch Studiengebühren ersetzt werden. Pflichtveranstaltungen können durch den Einsatz von Studiengebühren verbessert werden. Grundsätzlich muss deren Basisfinanzierung jedoch aus Haushaltsmitteln gewährleistet werden. Anträge, die für den Einsatz von Studiengebühren gestellt werden, umfassen eine Beschreibung des Ist-Zustands und der angestrebten Verbesserung.“

Der Knackpunkt heißt „Zusätzliche Leistung“. Nach Meinung der Studierenden sollen nur Nachtische serviert werden, für die Hauptspeise soll die Basisfinanzierung des Instituts dienen. Deswegen haben wir z.B. jetzt 10 *zusätzliche* Lehrveranstaltungen

http://www.psychologie.uni-heidelberg.de/zusatz.html

von denen allerdings nur die Hälfte scheinfähig ist. Tatsächlich bin ich gespannt, auf welche Resonanz solche Zusatzangebote stoßen werden. In meinem interdisziplinären Seminar „Kognitionspsychologie meets Ethnologie“ sitzen nach wie vor 60 Leute – was nutzt denen ein Zusatzangebot in Parapsychologie oder Tanztherapie? Und was die Basisfinanzen betrifft: Unser Institut baut gerade ein Defizit auf, weil wir für viele Aufgabenbereiche unterfinanziert sind – derzeit beträgt es gut 30.000, die wir einsparen müssen. Ich darf an den Solidarpakt erinnern, der uns >20% unserer Personalkapazität „gefressen“ hat. Wir zahlen inzwischen Personalstellen direkt aus dem laufenden Sachhaushalt, um die damaligen Verluste auszugleichen. Ausserdem sind ca. 30.000 Euro Tutorengelder des Landes weggefallen. Die Liste der Defizite ließe sich problemlos verlängern.

Nur zum Vergleich: Die verfügbaren Kapazitäten des Institutshaushaltes liegen PRO SEMESTER etwa bei 8.500 Euro für EDV-Bedarf, 2.000 Euro für Kopien und Druckaufträge, 5.500 Euro für Neuanschaffungen, 2.000 Euro für Porto, 4.000 Euro für Telefongebühren, 5.000 Euro für Bücher und 20.000 Euro für Zeitschriftenabonnements. Das erlaubt wahrlich keine großen Sprünge. In meinen Augen kann es nicht angehen, dass ein unterfinanziertes Institut seine Basisaufgaben kaum gestemmt bekommt, aber die zusätzlichen und erheblichen Mittel nicht für dringend benötigte Investitionen einsetzen kann.

Geärgert habe ich mich auch über den Bürokratismus in der Verwaltung der Mittel: Die Skripte zu meiner Vorlesung (Stückpreis ca 3 Euro) liegen seit 4 Wochen im Institut, die Ausgabe war allerdings gesperrt, da Unklarheiten über die Verbuchung bestanden (bezahlt wurden die Skripte nämlich noch aus Institutsmitteln, da sie schon im März in Auftrag gegeben wurden). Auch die Ausgabe an Nebenfächler und Gasthörer war nicht vorgesehen (für Nebenfächler soll es extra Gelder geben, Gasthörer zahlen gar keine Studiengebühren, wohl aber eine Gasthörergebühr…). Kurz und gut: In meiner Vorlesung saßen zum ersten Mal seit 10 Jahren ca. 120 Teilnehmer ohne Skript, obwohl ich alles bestens dafür vorbereitet hatte (ich denke übrigens, die Vorlesung hat auch *ohne* Skript etwas gebracht!). Ich verbuche das mal unter der Rubrik „dumm gelaufen“.

Was kann man anders machen? Gibt es überhaupt Auswege aus diesem Chaos? Mein Tipp:

1) Zeitdruck herausnehmen! Nicht alle Mittel müssen SOFORT ausgegeben werden! Natürlich sind Lehraufträge für dieses Semester nur sinnvoll, wenn sie jetzt starten können. Aber vieles andere nutzt uns auch in 4 Wochen noch was.

2) Einen Plan machen, eine Konzeption entwickeln! Nicht einfach eine bunt zusammengewürfelte Mixtur zusammenmischen, sondern aufbauend auf einer Stärken/Schwächenanalyse Bereiche identifizieren, in denen Nachholbedarf besteht und in die man sinnvoll und nachhaltig investieren will.

Ich bin sicher, dies alles wird in den nächsten Wochen kommen – das, was bis jetzt sichtbar wurde, ist aus meiner Perspektive kein Vorbild für planvolles Handeln. Am Ende dieses Semesters werden wir schlauer sein!

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