Von der Seilbahn zur Ottobahn?

Mobilitätsprobleme gibt es an vielen Orten in der Welt, der individualisierte Autoverkehr nimmt zu und nicht ab, die Strassen werden immer voller, (kostenlose) Parkplätze sind ein rares Gut und werden zunehmend von Anwohnern in Frage gestellt, die sich Lebensraum rückerobern wollen („wem gehört die Strasse?“). Auch in Heidelberg ist dieses Thema nur allzu bekannt; in der Masterplanung für das Neuenheimer Feld ist das Thema virulent – nicht zuletzt durch die immer wieder als Lösung ins Gespräch gebrachte „5. Neckarquerung“ von Wieblingen ins Neuenheimer Feld.

Vor gut vier Jahren, im Juni 2016, habe ich in diesem Blog unter dem Titel „Mobilitätskonzepte für das Neuenheimer Feld“ den damaligen Problemstand beschrieben und mich unter anderem für eine damals vom Heidelberger Architekten Nils Herbstrieth vorgeschlage Lösung, den Peoplemover (den „UNIverCITY-Shuttle“ – die damalige Webseite führt heute leider ins Leere), stark gemacht, eine Hochbahn also, die oberhalb der Strassen Kabinen zum Transport einsetzt. In den aktuellen Entwürfen zum Masterplan INF hat das Team Ferdinand Heide eine originelle Seilbahnlösung in seinem Konzept vorgesehen (siehe auch den SPD-Beitrag „Seilbahn als 5. Neckarquerung – Illusion oder urbane Zukunft?“)

Nun fand, organisiert vom „Verkehrclub Deutschland“ (VCD) und vom Verein „Urban Innovation – Stadt neu denken!“ (UI), eine virtuelle Veranstaltung statt, in der ein neues Konzept, die „Ottobahn„, vom Geschäftsführer Marc Schindler visionär vorgestellt und von Albrecht Kern (VCD), Michael Braum (IBA) sowie Nils Herbstrieth (UI) wohlwollend kommentiert wurde.

//ottobahn.de/)

Ottobahn (von der Homepage https://ottobahn.de/)

Bei der Ottobahn handelt es sich um ein radgetriebenes Gondelverkehrssystem, das in rund 5m Höhe den Luftraum über der Strasse nutzt (darunter ein Radweg?), um Kabinen (mit drei Formen je nach Inhalt: (a) 1 Person; (b) Familie, bis 4 Personen; (c) Gepäck, Waren) softwaregesteuert komfortabel von A nach B mit Geschwindigkeiten bis 60 km/h zu transportieren. Der Unterschied zur Seilbahn: jede Kabine ist prinzipiell unabhängig von allen anderen, auf Fernstrecken werden Kabinen zu Verbünden verknüpft. Individualkabinen können in dichter Folge nacheinander fahren und erreichen damit hohe Transportkapazitäten, können aber zugleich sehr individuelle Routen fahren, da die Weichen softwaregesteuert schnell umschalten können. Man bestellt sich „seine“ Kabine auf die Minute pünktlich, die letzte Meile wird allerdings – je nach Streckenführung –  ggflls. einem anderen Verkehrsmittel zugewiesen.

Das Konzept (noch gibt es wohl nur Prototypen in Hallen) soll innerhalb von Städten, aber auch zwischen Städten funktionieren (auf Fernstrecken werden Durchschnittsgeschwindigkeiten >200 km/h angestrebt, in Städten Durchschnitte von 50 km/h – zum Vergleich: Strassenbahnen kommen auf 18 km/h, Autos auf 30 km/h). Über die Kosten hieß es nur: deutlich preiswerter als andere Systeme pro Strecken-km. Die Befürchtungen von Anwohnern, dass in ihre Wohnung unzulässig Einblick durch Vorbeifahrende genommen werden könnte, konterte der Hersteller mit dem Hinweis auf Scheiben, die softwaregesteuert von Durchsicht auf Milchglassicht umzustellen sind. Dadurch, dass die Kabinen zum Ein- und Ausstieg auf Erdboden herabgesenkt werden, ist auch ein barrierefreier Betrieb gesichert. Rollstühle wie Fahrräder finden Platz in der geräumigen Kabine, in der WLAN sowie Bildschirm für Entertainment/Arbeit zur Verfügung stehen.

Die RNZ hat in ihrer Ausgabe vom 21.1.2021 über das Konzept ausführlich berichtet unter dem Titel „Künftig in Kapseln durch die Stadt?“ (hier zum PDF). Ich bin gespannt, wie diese Idee von der Stadt Heidelberg (Bürgerinnen und Bürger einerseits, Verwaltung andererseits) aufgenommen wird. Mein Leitspruch: Zukunft nicht extrapolieren, sondern imaginieren! Uwe Schneidewind (der neue „grüne“ OB der Stadt Wuppertal, der von der CDU unterstützt wird) spricht von der „Kunst der gesellschaftlichen Transformation“. Nur zur Erinnerung: Irgendwann gab es nämlich nicht immer mehr Pferdekutschen, sondern eines Tages waren sie einfach aus dem Straßenbild verschwunden… Disruption nennt man so einen Prozeß! Wie heisst es bei Joseph Schumpeter sinngemäß: Innovationen, die kreative Zerstörung bewirken, sind der Treibsatz für Wohlstandsschübe. Mal sehen, ob hier eine Disruption beginnt oder ob der Aufstand der Bedenkenträger siegt.

PS: noch ein Hochbahn-Ansatz: Bosch „Rope Nutshell“ bze. „eRopeWay“, siehe https://www.bosch.com/de/stories/forscherportrait-dr-felix-jaegle/

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