Eine der wichtigsten Währungen im Wissenschaftsbetrieb sind Zitationen, also das Aufgreifen eigener Ideen durch eine fremde Forschungsgruppe oder einen fremden Forscher. Das bedeutet: offensichtlich hat jemand anderes meine Ideen gut gefunden – so gut, dass er oder sie diese Ideen zitiert. Das wird dann als „impact“ bezeichnet.
Weil Zitationen so wichtig geworden sind, hat Google einen eigenen Bereich dafür vorgesehen: Google Scholar! Gibt man einen Namen ein (z.B. Joachim Funke), erhält man ein Profil der Zitationen (und kann durch entsprechende Klicks nachvollziehen, wer wo zitiert hat). Ausserdem kann der zeitliche Verlauf der Zitationen angezeigt werden. Und es werden der berüchtigte h-Index (Hirsch-Index, benannt nach seinem Erfinder) und i10-Index angezeigt, jeweils für die letzten 5 Jahre sowie allzeit. Natürlich haben ältere Wissenschaftler höhere h-Werte als jüngere.
Warum ist der Hirsch-Index berüchtigt? Nun, er sagt gar nichts zur inhaltlichen Qualität eines Beitrags. Man könnte ja einen Beitrag als abschreckendes Beispiel erwähnen, und schon hätte man den Zitationszähler eines womöglich schlechten Beitrags um 1 erhöht. Bibliometriker haben auch im Rahmen von Zitationsanalysen sogenannte Zitationskartelle (Motto: Ich zitiere Dich und Du mich) ausfindig gemacht – und natürlich gewinnt man Punkte, indem man eigene Vorarbeiten zitiert (nicht gern gesehen, siehe hier). Ausserdem ist die Größe des Fachs nicht unerheblich: So kann ein Krebsforschender mit mehr Resonanz rechnen als jemand, der die Geschichte der Medizin bearbeitet.
Kurz und gut: Derartige Indexe sind zwar beliebt, aber doch am Ende nur ein Kriterium unter vielen. Wir sollten sie nicht überschätzen! Und selbst der, der wie Wilhelm Wundt kein Profil auf Google Scholar hat, kann einflussreich sein… Wie ich in einem Aufsatz von 2017 geschrieben habe (Funke 2017. Scholarly merits: From measurement to judgment. Perspectives on Psychological Science, 12(6), 1145–1147. https://doi.org/10.1177/1745691617740129), müssen wir von Maßzahlen und Indexen zu Urteilen und Beurteilungen kommen.
Trotzdem gibt es Zitationskönige in der Psychologie (in Klammern: Zitationen, Stand April 2025): John Anderson (>167.500), Albert Bandura (>1.005.000), Roy Baumeister (>312.230), Sigmund Freud (>725.000), Daniel Kahneman (>598.400), Burrhus Skinner (>200.000), Herbert Simon (>469.450), Robert Sternberg (>259.000) – zum Vergleich: Albert Einstein (>180.000), Richard Feynman (>130.000), Michel Foucault (>1.422.600), Werner Hacke (HD, >240.000), Martin Heidegger (>493.700), Karlheinz Meier (HD, >335.700). Und die Bibel erreicht >753.000!
Nun ist gerade ein Artikel erschienen in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ mit dem Titel „The most-cited papers of the twenty-first century. A Nature analysis reveals the 25 highest-cited papers published this century and explores why they are breaking records.“ (Hier nachzulesen: https://www.nature.com/articles/d41586-025-01125-9).
Unter den Top 25 des ersten Viertels des 21. Jahrhunderts gibt es immerhin einen Psychologie-Beitrag, und zwar das Paper von Faul et al. (2007): Faul, F., Erdfelder, E., Lang, A.-G., & Buchner, A. (2007). G*Power 3: A flexible statistical power analysis program for the social, behavioral, and biomedical sciences. Behavior Research Methods, 39(2), 175–191. https://doi.org/10.3758/BF03193146
Ironischerweise wird die Arbeit der psychologischen Arbeitsgruppe als Zuarbeit für die Biologie bezeichnet und die Absicht der Programmautoren (Statistik mit dem Ziel, ausagekräftige Daten mit Power zu erhalten, also gerade nicht Signifikanz um jeden Preis) in ihr Gegenteil verkehrt: „And another paper on a top-cited free program, called G*Power, provides biologists with easy-to-use software for calculating how big their experiments need to be to achieve a statistically significant result.“ (Pearson et al., 2025, p. 592).
Ich empfehle übrigens jedem, der statistische Datenanalyse betreiben will, die Anschaffung dieses (kostenlosen) Tools namens G*Power! Man kann damit tatsächlich eine rationale Stichprobenbestimmung vornehmen und muss sich nicht auf ad-hoc verfügbare Samples mit
Trotz aller Kritik an derartigen Rankings: Gratulation zu dieser Kennzahl! Gratulation zu einem der „most-cited papers of the twenty-first century“!
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