Dölle und andere Scherze

Verschiedene Reaktionen auf meinen Bericht über den Erhalt der Ernst-August-Dölle-Verdienstmedaille veranlassen mich, ein paar Worte über „Spaß“ in der Wissenschaft zu schreiben. Fünf Beispiele mögen genügen.

1) Zum Dölle-Hintergrund: Die Idee zur fiktiven Figur „Ernst-August Dölle“ geht m.W. auf Theo Herrmann (Uni Mannheim), Carl-Friedrich Graumann (Uni Heidelberg) und Kurt-Hermann Stapf (Uni Tübingen) zurück. Der Wikipedia-Eintrag zu EAD meint trocken: „Es erscheint sehr wahrscheinlich, dass die Existenz Dölles ein wissenschaftlicher Witz ist.“ Dem ist kaum etwas hinzuzufügen…

Angeblich hat ein gewisser „Ernesto A. Dölle“ auf der TeaP 2012 in Mannheim einen Beitrag zum Thema „Empirische Konstruktvalidierung der Mucksmäuschenstille“ (hier der Beweis) gehalten. Ich habe den Vortrag seinerzeit leider verpasst. Was mich staunen lässt: EAD ist angeblich 1898 geboren und bereits 1972 verstorben (mehr zur Biografie von EAD auf den Seiten der Uni Düsseldorf).

2) Der Lachs im Scanner (siehe auch den Bericht aus der „Süddeutschen Zeitung“): Als Parodie auf bildgebende Verfahren haben Bennett et al. (2009) die Hirnaktivitäten eines toten Lachs mittels fMRI gemessen – und tatsächlich eine Aktivität gefunden! Spooky! Eine Warnung vor Messfehlern, die in dieser Forschung tatsächlich häufiger auftreten?

Quelle: Bennett, C. M., Baird, A. A., Miller, M. B., & Wolford, G. L. (2009). Neural correlates of interspecies perspective taking in the post-mortem Atlantic Salmon: An argument for multiple comparisons correction. [download] – siehe auch in ernsthafter Absicht: Vul, E., Harris, C., Winkielman, P., & Pashler, H. (2008). Voodoo correlations in social neuroscience. Perspectives on Psychological Science. …oh nein! Das war der „unerlaubte“ Titel der Originalversion – die mildere Version ist dann 2009 erschienen…

3) Das legendäre Amelang & Bartussek-Foto im Standard-Lehrbuch: Eines der im deutschsprachigen Raum am meisten verbreiteten Lehrbücher, die „Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung“ (1985 von Amelang & Bartussek ins Leben gerufen, heute von Stemmler, Hagemann & Frank Spinath am Leben gehalten), ist hier zu nennen. In den ersten Auflagen waren es MA und DB, die auf einem Foto am Tisch sitzend gezeigt wurden (MA mit erhobenem Zeigefinger, DB mit Krawatte und Namensschild).

In der 8. Auflage von 2016 befindet sich in Kapitel 3.2.2 (immer noch unterhalb der Rorschach-Fledermaus) ein Bild der vier Herausgeber am Seziertisch (MA in der Mitte, DH rechts mit einem Buchexemplar):

Im Text dazu heisst es kryptisch, es seien „bestimmte Figuren in häufig schwer bestimmbarem Kontext“ zu sehen. Stimmt!

4) Die Steinlaus im Psychrembel: Auch das ist eine lustige Geschichte! Der „Psychrembel“ war zu meinen Studienzeiten in den 1970er Jahren das wichtigste medizinische Wörterbuch – Motto: was dem Psychologen sein Dorsch, ist dem Mediziner sein Psychrembel. in der 255. und 256. Auflage des Psychrembel gab es einen wunderbaren Beitrag zur (nicht existierenden) „Steinlaus“ als Hommage an Loriot, der das kauzige Tierchen in einer Parodie auf den Frankfurter Zoologen Bernhard Grzimek im Fernsehen präsentiert hatte. in der 257. Auflage war der Eintrag von humorlosewn Redakteuren gelöscht worden, danach wurde er wieder aufgenommen.

5) Gummibären-Forschung: Zusammen mit meiner damaligen Kollegin Heike Gerdes begann ich Mitte der 1990er Jahre an der Universität Bonn mit dem Aufbau einer Webseite zum Thema „Gummibären-Forschung“. Der „Spiegel“ (9.4.2009) berichtete darüber tiefsinnig wie immer („Gaga-Forschung vom Feinsten“). Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen lieferten damals Beiträge (eine kleine Übersicht findet man hier). Viele Beiträge sind leider nicht mehr zugänglich, aber der Beitrag zum komplexen Problemlösen und der zur Psychotherapie bei Gummibären (Erstautorin ist dabei die heute als Marlene Bach bekannte Heidelberger Schriftstellerin) sind noch auf dem hauseigenen Server verfügbar.

Wissenschaftler sind ja gefürchtet für ihre bierernste Haltung. Verträgt sich das eine – der Bierernst –  mit dem anderen, dem Humor? Sind nicht gerade schwer verständliche Formen der Äußerung bei Wissenschaftlern zu erwarten? Für Menschen aller Art sind Scherz, Satire und Karikatur eigentlich essentiell, etwas spezifisch Menschliches (ein Wesensmerkmal unserer Spezies), genau daran scheitert bis heute „Künstliche Intelligenz“, die ja insgesamt keinen Humor kennt…

Ein logischer (Ab-)Schluß: Alle Wissenschaftler sind Menschen – alle Menschen sind prinzipiell zu Scherz, Satire und Karikatur fähig – also sind auch Wissenschaftler zu Scherz, Satire und Karikatur fähig! Prinzipiell…

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