Ziele sind ein non-plus-ultra im menschlichen Leben: Sie treiben uns zu allem Möglichen an, und ohne Ziele hätten wir keine Probleme. Ha! Probleme hat man nur, wenn man etwas erreichen will und dieses Ziel nicht direkt erreichbar ist, weil Hindernisse zwischen dem Akteur und seinem gewünschten Zielzustand bestehen. Problemlösen heisst daher Hindernisse auf dem Weg zu einem Ziel beiseite zu räumen. Manche Probleme werden kleiner, wenn die Ziele weniger anspruchsvoll formuliert werden (beim Klimawandel ist das heruntergeschraubte Zwei-Grad-Ziel immer noch ein schwierig zu erreichendes) oder hören ganz auf zu existieren, wenn man das Ziel aufgibt.
Vor einiger Zeit habe ich bei einem Besuch in Zürich eine interessante Variation der Zielthematik kennengelernt, die unter dem Namen „Motto-Ziele“ eine besondere Art von Zielen propagiert. Im Rahmen des nicht nur von Praktikern sehr geschätzten Zürcher Ressourcenmodells (ZRM) spielen nämlich Ziele eine wichtige Rolle beim Training des Selbstmanagements: Ziele sind dann besonders hilfreich, wenn sie handlungswirksam werden und nicht bloss abstrakt über dem Akteur schweben. Dass abstrakte Ziele nicht handlungswirksam, kennt wohl jeder von Neujahrsvorsätzen, die schnell verpuffen können. Intentionsimplementationen (ein Konzept des Kollegen Peter Gollwitzer) sind ein Weg zur Umsetzung, die Zürcher Motto-Ziele ein anderer.
Bei Motto-Zielen geht es darum, eine bestimmte Haltung bei der Bearbeitung eines Problems einzunehmen, die selbstsuggestive Wirkung entfalten soll. Dies geschieht durch ein Bild oder einen Satz, der diese Haltung veranschaulicht, z.B. „Ich atme Glück“, „Ich erlaube mir Macht“ oder „Mutig schreite ich in meine Freiheit“. Im Rahmen des Rubikon-Modells von Heckhausen (1989) und Gollwitzer (1991) kann ein Motto-Ziel als Phasenübergang zwischen einer abwägenden und einer volitionalen Bewusstseinslage beschrieben werden (vgl. Storch, 2014). Gute Ziele im ZRM-Verständnis sind Annäherungsziele (keine Vermeidungsziele), stehen vollständig unter eigener Kontrolle und sind von guten Gefühlen begleitet. Motto-Ziele sollten natürlich eher bei komplexen als bei simplen Problemstellungen greifen.
Zusammen mit der Zürcher Arbeitsgruppe um Maja Storch und Julia Weber haben Miriam Rohe und ich ein Experiment mit dem computersimulierten Szenario „Tailorshop“ geplant und durchgeführt, bei dem wir die Auswirkungen verschiedener Zielarten auf das Bearbeiten einer komplexen Problemsituation überprüfen wollten. Unsere 123 studentischen Testpersonen wählten in unserem Experiment nach einer kurzen Einführung in das Problem entweder Motto-Ziele (z.B. „Ich bleibe gelassen wie Bär“), Leistungsziele (z.B. „Ich gebe mein Bestes“) oder Lernziele (z.B. „Ich möchte mind. 15 Zusammenhänge durch Üben bis zum Ende der Übungsphase erkannt haben“), bevor sie sich an die Problembearbeitung machten. Zugleichen maßen wir die empfundene Stimmung zu verschiedenen Zeitpunkten der Bearbeitung.
Die von uns erwartete Leistungssteigerung durch Motto-Ziele ließ sich nicht nachweisen. Allerdings empfanden die Personen mit Motto-Zielen mehr positiven und weniger negativen Affekt als die beiden anderen Ziel-Bedingungen. Warum die erwarteten Vorteile von Motto-Zielen ausblieben, bleibt offen. Da warte ich auf einen Tag, wo mein Motto-Ziel einmal „Wühlmaus“ lautet 🙂 Hier das (englische) Abstract unserer Arbeit:
„In this paper, we bring together research on complex problem solving with that on motivational psychology about goal setting. Complex problems require motivational effort because of their inherent difficulties. Goal Setting Theory has shown with simple tasks that high, specific performance goals lead to better performance outcome than do-your-best goals. However, in complex tasks, learning goals have proven more effective than performance goals. Based on the Zurich Resource Model (Storch & Krause, 2014), so-called motto-goals (e.g., „I breathe happiness“) should activate a person’s resources through positive affect. It was found that motto-goals are effective with unpleasant duties. Therefore, we tested the hypothesis that motto-goals outperform learning and performance goals in the case of complex problems. A total of N = 123 subjects participated in the experiment. In dependence of their goal condition, subjects developed a personal motto, learning, or performance goal. This goal was adapted for the computer-simulated complex scenario Tailorshop, where subjects worked as managers in a small fictional company. Other than expected, there was no main effect of goal condition for the management performance. As hypothesized, motto goals led to higher positive and lower negative affect than the other two goal types. Even though positive affect decreased and negative affect increased in all three groups during Tailorshop completion, participants with motto goals reported the lowest rates of negative affect over time. Exploratory analyses investigated the role of affect in complex problem solving via mediational analyses and the influence of goal type on perceived goal attainment.“
Da es sich bei unserem Publikationsorgan JDDM um ein „Open access„-Journal („Goldener Weg“) handelt, kann jede Person ab sofort einen Blick in die Arbeit werfen und muss kein Abonnement des Journals besitzen – einfach auf die „doi“ (was ist das?) am Ende der Referenz klicken:
Quelle: Rohe, M.S., Funke, J., Storch, M. & Weber, J. (2016). Can motto-goals outperform learning and performance goals? Influence of goal setting on performance and affect in a complex problem solving task. Journal of Dynamic Decision Making, 2. doi: 10.11588/jddm.2016.1.28510 [oder, falls der Link nicht funktioniert, weil die doi-Registry noch nicht fertig ist: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/jddm/article/view/28510 und dann weiter unten „PDF“ anklicken]