Vorträge, Vorträge, Vorträge!

Die abgelaufene Woche stand für mich ganz im Zeichen von vier interessanten Vorträgen. Heidelberg hat insgesamt ja ein tolles Vortragsangebot (viele interessante Forscher, Literaten, Künstler, etc. kommen gerne hierher) – ein Angebot, das mich manchmal terminlich überfordert, aber natürlich vor allem begeistert. Die Ausbeute dieser Woche: klasse!

(1) Arndt Bröder (Allgemeine Psychologie, Uni Mannheim) sprach im Rahmen des sozialpsychologischen Kolloquiums zum Thema „Viele Mechanismen oder einer? Empirische Untersuchungen zu Metaphern adaptiven Entscheidens“ und hat sich gefragt, ob man experimentell zeigen kann, dass die Metapher des adaptiven Werkzeugkastens oder diejenige des „adjustable spanner“ besser passt. Mir ist nochmal deutlich geworden: Mit minimal komplexen Paradigmen in der Informationssuche (man muss unter knappen Info-Ressourcen zu einer Entscheidung kommen und bekommt auf Wunsch, gegen Entgelt etc. weitere Info-Stücke, die entweder konkordant, neutral oder diskordant zur geplanten Entscheidungsalternative stehen) sieht man nur die eine Seite der Medaille; die andere Seite (und die ist bei komplexen Siituationen eher typisch) besteht darin, aus einer Flut von Informationen die relevanten Stücke herauszusuchen. Da werden andere Heuristiken verlangt, scheint mir. Stoff zum Nachdenken jedenfalls.

(2) Timo Leuders (Mathematik-Didaktik, PH Freiburg) hat im Rahmen des Interdisziplinären Bildungskolloquiums über „Entdeckendes Lernen“ gesprochen. Am Beispiel der Mathematik-Didaktik ist „discovery learning“ daraufhin überprüft worden, unter welchen Bedingungen es traditionellen Instruktionsformaten überlegen ist. Dass mehr Zeit benötigt wird, ist sicher ein Nachteil; auf der anderen Seite steht als Gewinn neben dem Wissenserwerb auch der Erwerb einer spezifischen Art zu denken (in diesem Fall: mathematisches Denken) und eine gesteigerte Selbstkompetenz, wenn man verborgene Mechanismen und Gesetzmäßigkeiten (manchmal mit ein bisschen Hilfe) selbst aufdeckt. Interessanter Aspekt am Rande: Welche Rolle spielen Beweise in der Mathematik? In der chinesischen Mathematik sind sie bedeutungslos, bei uns offensichtlich entscheidend. Bis heute sind „Vermutungen“ in der Mathematik etwas sehr Wichtiges, indem aus Beobachtungen über Regularitäten mögliche Gesetzmäßigkeiten induziert werden.

(3) Melanie Wald-Fuhrmann (MPI für empirische Ästhetik, Frankfurt) hat unter dem Titel „Warum lieben Sie Brahms?“ in der Alten Aula die 14. Marsilius-Vorlesung gehalten. Es ging darum, wie sich ästhetische Präferenzen entwickeln. Dabei sind soziologische Aspekte ebenso wie psychologische zu berücksichtigen. Dass sich Subkulturen auch über einen bestimmten Musikgeschmack definieren, ist ein interessantes Phänomen. Und natürlich lieben Mädchen ihre Boy-Groups, Jungen ihre Girl-Groups, oder? Entwicklungspsychologische Überlegungen helfen hier weiter. – Dass sich die Max-Planck-Gesellschaft entschlossen hat, zum Thema Ästhetik ein eigenes MPI einzurichten, finde ich klasse! Hier in Heidelberg hatten wir (Christiane von Stutterheim, Raphael Rosenberg und ich) vor Jahren einmal den Plan zu einem eigenen SFB („Kognition von Sprache, Musik und Bild“), der solche Themen ebenfalls hätte fokussieren sollen; die DFG-Gutachter haben uns damals leider mit etwas engstirnigen Argumenten abgewiesen, obwohl wir gute Ideen hatten. Die Marsilius-Vorlesung hat bei mir alte Pläne wieder in Erinnerung gerufen. Übrigens: Ich habe bisher alle Marsilius-Vorlesungen gehört und war nie enttäuscht!

(4) Kurt Roth (Umweltphysik, Uni Heidelberg) hat im Rahmen des von unserem Assyriologen Stefan Maul organisierten „Gesprächskreis Geistes- und Naturwissenschaften“ über „Evolution – Versuch einer großen Schau“ einen unglaublich anregenden Vortrag über die Entstehung des Weltalls gehalten (die physikalische, chemische und biologische Evolution seit dem „Big Bang„), mit einem Ausblick auf die technologische Evolution im 21. Jahrhundert. Ein völlig neues Verständnis der Nukleogenese und der Kosmogenese, bei dem die Anthropogenese leider nur einen winzig kleinen Teil ausmacht (der mich natürlich am meisten interessiert). Viele Fragen, die nach 2 1/2 Stunden Vortrag und Diskussion offen blieben, aber nachwirken.

Mit Vorträgen ist es manchmal so, wie Christian Morgenstern es über Witze schreibt: „Korf erfindet eine Art von Witzen, / die erst viele Stunden später wirken. / Jeder hört sie an mit langer Weile. // Doch als hätt‘ ein Zunder still geglommen, / wird man nachts im Bette plötzlich munter, / selig lächelnd wie ein satter Säugling“. Natürlich waren meine vier Vorträge nicht langweilig, sondern sehr lebendig! Um wieviel mehr lässt das auf fruchtbare Nachwirkung hoffen! Der Zunder glimmt!

Kategorien:

Archive
Kategorien