Vor einiger Zeit (in meinem Beitrag vom 9.5.14 „Integre Wissenschaft?“) habe ich hier über die seit 2012 vorgetragenen Vorwürfe geschrieben, die gegenüber einzelnen Publikationen des Kollegen Jens Förster geäußert wurden (perfekte Linearität im Datenmuster mehrerer Experimente). Nachdem im Juli 2014 bekannt wurde, dass die Universität Bochum ihm „übergangsweise“ eine Vertretungsprofessur anvertraut hat (hier der Link zum Beitrag von Ralf Degen), sind nun neue Informationen publik geworden.
1) Die Entscheidung der Humboldt-Stiftung über die ihm angetragene Humboldt-Professur wird erst im April 2015 (und nicht wie geplant im Oktober 2014) bekannt gegeben (Link zur Pressemeldung). Interessant ist die Mitteilung, dass die Entscheidungsträger der AvH-Stiftung „… unter anderem den Ausgang von Validierungsuntersuchungen abwarten, die derzeit in mehreren Ländern durchgeführt werden, und deren Ergebnisse bis zum Jahresende vorliegen sollen“. Was ändert dies eigentlich an den Vorwürfen der Vergangenheit?
2) Jens Förster äußerste sich selbst nochmals ausführlich zum Fall (Link zu seiner Webseite, Brief vom 10.9.14). Hier schreibt er u.a.: „Eine internationale „Replication Group“ wurde gegründet. Ich bin sehr gerührt von diesem Zeichen der Wertschätzung und bin sehr dankbar. Ergebnisse dieser Gruppe, der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus mehreren Teilen der Welt angehören, werden für Herbst erwartet. Ich werde auch selbst Experimente unter kontrollierten Bedingungen replizieren, wenn mein neues Labor im Herbst die Arbeit aufnehmen kann.“ Sind befreundete Labors eigentlich der richtige (bias-freie) Ort zur Überprüfung? Bedenken dazu findet man bei Makel, Plucker, und Hegarty (2012, Persp. on Psyc. Sci. 7, 537-542), wonach Replikationen im eigenen Labor deutlich erfolgreicher sind als bei unabhängiger Prüfung.
3) Ausserdem hat es gerade kürzlich einen interessanten Kommentar zu meinem Blog gegeben, den ich hier noch einmal hervorheben möchte:
Ich habe – als Studiendirektor im Hochschuldienst – in der Fakultät für Psychologie der Ruhr-Universität Bochum seit mehr als 20 Jahren die einführende Statistikvorlesung gehalten – in ziemlich kritischer Weise. Natürlich habe ich meine Studenten ausführlich auf die statistischen Aspekte des Falles Jens Förster hingewiesen – und ich habe gegenüber der Fakultät deutlich gemacht, dass ich dies weiterhin zu tun gedenke auch dann, wenn Jens Förster Professor an dieser Fakultät werden sollte. Der Dekan teilte mir nun jüngst – ohne jedes vorherige Gespräch mit mir – mit, mir diese Vorlesung zu nehmen und einem Juniorprofessor zu übertragen. So läuft das in der heutigen akademischen Psychologie.
Wir wollen einfach mal annehmen, dass dass die Gründe für diesen Vorgang nichts mit dem hier diskutierten Fall zu tun haben – oder?
Nachtrag 13.10.14: In einem gerade veröffentlichten Interview in „Psychologie Heute“ (Heft 11/2014) mit Jens Förster (nun ja Professor für Sozialpsychologie an der Uni Bochum) findet sich folgende Passage, die die Verhältnisse zwischen Sozialpsychologie und Methodenlehre aus seiner Sicht klarstellt: „Vielleicht ist es so, dass die Kollegen aus dem Fach Methodenlehre nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen. Sie fühlen sich ein bisschen wie Hilfswissenschaftler, werden von uns bisweilen auch so behandelt – sie sind eben für die Statistik da. Veröffentlichen auch eher wenig, weil sich in dem Bereich nicht viel Neues ergibt.“ Schade für die Methodenlehre, dass sie nicht so sexy ist 🙂 Ich hoffe, in anderen Instituten kommt man zu anderen Bewertungen! Die Degradierung der Methodenlehre zur Statistik ist das eine, das Nicht-Erkennen, dass Methodenlehre mehr ist als Statistik, das andere!
siehe auch den Beitrag von Ralf Degen (2.10.2014): Jens Förster lashes out at his critics
Nachtrag 27.11.2014: Der Artikel „Sense Creative! The Impact of Global and Local Vision, Hearing, Touching, Tasting and Smelling on Creative and Analytic Thought“ von Jens Förster und Markus Denzler (2012) wurde nunmehr vom Editor des Social Psychological and Personality Science zurückgezogen. In der Begründung heisst es: “Scrutiny of the evidence by two committees on scientific integrity led to the conclusion that the data were manipulated: ‘the diversity found in the scores of the control group is so improbably small that this cannot be explained by sloppy science or questionable research practices; intervention must have taken place in the presentation of the results of the 19 experiments described in the 2012 article. Based on this and based also on the inadequate explanation regarding the data set and the original data, a violation of academic integrity can be said to have taken place.’”
Nachtrag 23.1.2015: Wie ich gerade aus einer Mail aus meiner Heimatstadt erfahre (Danke, lieber Jochen!): Einer der Gutachter bei der LOWI-Untersuchung gegen Jens Förster hat sich inzwischen geoutet (Richard Gill). Sein Kommentar ist online unter https://replicationindex.wordpress.com/2015/01/14/further-reflections-on-the-linearity-in-dr-forsters-data/ zu finden.