Springer Science verkauft

In der Zeitung lese ich über den Verkauf von Springer Science Heidelberg (etwa 650 Mitarbeiter in HD): Der derzeitige Eigentümer – der schwedische Finanzinvestor EQT sowie der singapurische Staatsfonds GIC – verkauft den Verlag an die britische Beteiligungsgesellschaft BC Partners (hier der Link zur offiziellen Pressemitteilung). Was mich dabei fast umgehauen hat: vor rund drei Jahren, als der Springer-Verlag an EQT und GIC verkauft wurde, wurden 2.3 Mrd Euro gezahlt – drei Jahre später ist der Kaufpreis auf 3.3 Mrd gestiegen! Das heisst: Die Eigentümer haben in den drei Jahren einen Verkaufserlös von 1000 Mio Euro erzielt, neben den jährlichen Gewinnen von >300 Mio Euro!

Von solchen Renditen kann man ausserhalb des Bereichs der Wissenschaftsverlage nur träumen – wie kommt es, dass ausgerechnet das Geschäft mit der Wissenschaft so ertragreich ist und die Finanzinvestoren dort Schlange stehen? Die Antwort ist einfach: Wissenschaftler sind keine Geschäftsleute und lassen sich problemlos in Verbindung mit der öffentlichen Hand ausbeuten. Wie das?

Wissenschaftler, die vom Staat alimentiert werden, produzieren mit Hilfe öffentlicher Mittel interessante Forschungsergebnisse, die die Wissenschaftsverlage gegen teures Geld verkaufen – und zwar an die Wissenschaftler! Die Forschungsartikel, die wir als Wissenschaftler den Verlagen kostenlos zur Verfügung stellen (und auch durch unser kostenloses Gutachtensystem – „peer review“ – aufwändig qualitätskontrollieren), müssen wir dann später durch teure Abonnements bei den Verlagen wieder einkaufen. Dafür nehmen wir wieder das Geld des Steuerzahlers, der den Universitäten natürlich die entsprechende Infrastruktur (z.B. in Form von Zeitschriften-Abonnements) zur Verfügung stellt. Unsere Universitätsbibliothek Heidelberg etwa zahlt jährlich mehrere Millionen Euro an die verschiedenen Verlage, um Zugang zu den Journals zu erhalten.

Staat und Wissenschaft werden gleich doppelt ausgenutzt: Für das hochwertige Produkt „Journal paper“, das von den Wissenschaftlern abgeliefert wird, brauchen die Zeitschriftenverlage im Regelfall nichts zahlen – die Wissenschaftler werden für Ihre Arbeit ja vom Staat bezahlt. Zugleich kauft ihnen die Wissenschaft mit Staatsgeld dieses (kostenlos erworbene, hochwertige) Produkt wieder für teures Geld ab! Das ist ein Kreislauf, von dem sich offenbar gut leben läßt!

Ein Skandal, dass in Zeiten massiver Unterfinanzierung der Hochschulen ein Wirtschaftszweig existiert, der aus diesem Elend auch noch große Profite zieht. Ich meine, hier ist ein Umdenken dringend erforderlich! Die großen Wissenschaftsorganisationen haben das schon lange im Visier und versuchen, mit ihrer Open Access Initiative gegenzusteuern – bislang nur mit begrenztem Erfolg. Es ist an der Zeit, diese Pläne massiv zu unterstützen.

Dafür ist in erster Linie jeder Wissenschaftler selbst zuständig, da wir mit unserer Entscheidung, wo wir ein Paper einreichen wollen, natürlich die Weiche stellen – und da haben die großen Wissenschaftsverlage den Trumpf in der Hand, über „Zugpferde“ zu verfügen, über Journals, in denen man unbedingt publizieren möchte. Diese Eitelkeit der Wissenschaftler machen sich die Verlage zunutze und pflegen sie auch noch durch Impact-Statistiken, die – im Unterschied zu Zitationsanalysen etwa – wenig über die Bedeutung eines einzelnen Artikels aussagen.

Können wir überhaupt in der Psychologie Open-Access publizieren? Natürlich geht das! Eines der Flaggschiffe ist Frontiers, das Projekt von Kamila und Henry Markham, das natürlich mit Frontiers in Psychology auch einen Ableger in unser Fach hat. Eine umfassende Liste von OA-Journals für die Psychologie findet man hier. Ich selbst habe z.B. schon mit meinen Kollegen im OA-Journal of Problem Solving publiziert 🙂

Angesichts der riesigen Verkaufserlöse hoffe ich, dass die über 1000 Millionen Euro erzielten Gewinne wenigstens anständig versteuert werden und nicht durch entsprechende Tricks heruntergerechnet werden. Aber vielleicht sollte ich hier nicht Illusionen nachhängen…

Nachtrag 4.7.13: Hier noch ein Hinweis auf die Info-Seite der UB Heidelberg zum Thema „OA“:

http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/help/oa_def.html

Interessant auch das dortige Angebot, auf der durch eine internationale Bibliotheksgemeinschaft gepflegten Plattform Open Journal System neue OA-Journale zu begründen. Die UBH bietet bereits 16 Heidelberger Journale aus ganz verschiedenen Disziplinen an. Außerdem haben wir mit der FU Berlin gerade einen DFG-Antrag im Rennen, um OJS im Rahmen der internationalen Gemeinschaft weiterzuentwickeln:

http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/ojs/

Ein lesenswertes Interview zum Thema OA mit Alexander Grossmann, der vor seiner Berufung nacxh Leipzig auch bei Springer gearbeitet hat: http://poynder.blogspot.co.uk/2013/08/alexander-grossmann-on-state-of-open.html

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