Wieviele bloggende Psychologie-Professorinnen oder -Professoren gibt es eigentlich? Und warum bloggen sie überhaupt? Auf dem Bielefelder DGPs-Kongress 2012 bin ich von verschiedenen Personen auf meinen Blog angesprochen worden mit dem Hinweis, dass ich ja wohl einer der wenigen bloggenden Psychologie-Profs sei. Gelesen werden meine Beiträge offensichtlich in der ganzen Republik. Ich kann es fast nicht glauben, dass es kaum Mitstreiter gibt, aber eine Suche im Netz wirft nicht viele Treffer aus. Hier ein paar Fundstellen:
http://laurafreberg.com/blog/ – Ein Blog von Laura Freberg, Professor of Psychology at California Polytechnic State University, San Luis Obispo. Typisch amerikanisch! Immerhin schon seit Juli 2006 aktiv, Respekt! [Ich bin seit Dezember 2005 in typisch deutscher Weise auf diesem Blog unterwegs 🙂 ]
http://gabi-reinmann.de/ – Ein Blog der Münchner Psychologie-Professorin, die seit Februar 2006 aktiv zu sein scheint und zum Thema Bildungswissenschaften und e-Learning schreibt.
Eine Fundgrube für Professoren-Blogs ist die Übersicht auf http://www.onlineuniversities-weblog.com/50226711/top-100-science-professor-blogs.php der ich allerdings nur beschränkt vertraue, da ich selbst nicht aufgeführt werde 🙂 Dort werden unter lfd. Nr 30-34 in der Rubrik „Social Science & Phsychology“ [das ist nicht von mir falsch geschrieben!] genannt:
- A Gentleman’s C: This tenured faculty member delivers statistics lectures to social science majors.
- Prof. Dr. Laksman Madurasinghe: Here you can read the blog of a consultant psychologist professor.
- Cognitive Daily: Greta Munger is a Professor of Psychology at Davidson College.
- Todd Kashdan: Todd Kashdan is an Associate Professor in the Department of Psychology at George Mason University.
- Social Science Statistics Blog: Learn about social science statistical methods from this Harvard blog.
Nr 30 ist Statistiker – das zählt nicht wirklich, oder? Nr 31 (Berufsangabe: Lawyer, Strategist, Transpersonal Psychologist, Keynote Speaker) ist unter anderer Adresse auffindbar und nicht wirklich als Psychologe unterwegs. Nr 32 ist seit Januar 2005 aktiv, aber richtig spannend finde ich das auch nicht. Nr 33 („Buy Dr. Kashdan’s Books“) ist gut gemacht, aber nicht mein Ding. Und Nr 34 ist wieder mal Statistik und hat mit Psychologie nur entfernt zu tun.
Insgesamt also kein starker Wettbewerb – und ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass der bloggende Psychologie-Prof ein wirklich seltenes Exemplar ist. Auch von den 450 Professorinnen und Professoren der Uni Heidelberg bin ich wohl eher die Ausnahme, wie mir das Rechenzentrum mitteilt. Dass ich wegen meiner Äußerungen mit Klagen überzogen werde (wie ein Düsseldorfer Kollege auf dem Kongress in Bielefeld vermutete), trifft nicht zu. So scharf schieße ich hier ja nun wirklich nicht 🙂
Warum überhaupt bloggen? Diese Frage wurde in einer aktuellen Blogparade unter dem Motto „Hilfe, mein Prof blogt!“ gestellt. Natürlich muss ich mich daran beteiligen 🙂 Und auf der genannten Blogparade-Seite finden sich noch mehr Teilnehmende, über die von den Veranstaltern am Ende eine kleine Übersicht gegeben wird.
- Das (hier zu findende) inhaltlich interessante Ergebnis der Blogparade: es gibt mehr Blogger als gedacht – und die Motivlage ist bunt! Die kompletten Beiträge zur Blogparade: http://storify.com/anjalorenz/blogparade-hilfe-mein-prof-blogt
Unter http://redaktionsblog.hypotheses.org/1209 gibt es 10 gute Gründe, warum man als Wissenschaftler bloggen sollte – ich kann alle nachvollziehen! Was mir allerdings fehlt ist das Motiv, die Bindung zu jetzigen und ehemaligen Studierenden herzustellen. Als Alumni-Vorsitzender weiß ich, wie schwierig es ist, beim Weggang von Studierenden einen Rest von Bindung an das Heimatinstitut aufrechtzuerhalten. Ein Blog schafft dies zumindest in eine Richtung (vom Institut aus zu den Ehemaligen), liefert Informationen über das Geschehen vor Ort und bietet Kommentar-Möglichkeit.
Dass ich neben dem Schreiben von Gutachten, Anträgen und Artikeln noch andere Textformen verwende, hat einfach damit zu tun, dass ich gerne schreibe. Und mancher Blog-Beitrag entsteht mal gerade so zwischendurch – so wie andere ihre Zigaretten- oder Kaffeepause machen, lege ich ab und zu eine kleine Pause zum Bloggen ein. Und freue mich dann über die Resonanz, die mancher Beitrag auslöst! Ebenfalls freue ich über Gastbeiträge in meinem Blog – die würden vermutlich kaum geschrieben, wenn man die Texte für wirkungslos hielte. Tatsächlich werden Blog-Beiträge von Google gut unterstützt und sind daher leicht auffindbar.
Auch das ein Grund zum Bloggen: ich lasse mich gerne überraschen, wer meine Beiträge liest und kennt! Und manchmal verweise ich in meinen Vorlesungen zur Vertiefung eines Themas auf einen meiner Blog-Beiträge. Das vereinfacht gelegentlich die Diskussion.
Überhaupt: Vielleicht sollten wir dankbar sein, dass nicht alle Professoren fleißige Blogger sind! Was müsste man dann nämlich alles lesen…