Andreas Schleicher zu Besuch

Andreas Schleicher

Andreas Schleicher

Am vergangenen Freitag hat der Bildungsforscher Andreas Schleicher (OECD, Paris), auf dessen Initiative hin die weltweiten PISA-Studien durchgeführt werden, im Rahmen seiner Honorarprofessur an unserem Institut einen Vortrag zum Thema „Strong performers and successful reformers“ gehalten. Am Beispiel von Japan hat er interessante Aspekte des dortigen Schul- und Bildungssystems und der dort erfolgten Reformen aufgezeigt, die ich sehr lehrreich fand.

Seit der Katastrophe von Fukushima richtet sich das japanische Schulsystem neu aus unter dem Motto „Education for sustainable devlepment and to solve problems in society“ – Nachhaltigkeit also und Problemlösekompetenz stehen auf dem Programm. Bildung und Erziehung geniessen einen hohen Stellenwert, und zwar sowohl aus Sicht der Eltern als auch aus der des Staates. Dabei geht es zugleich um hohe Standards, die an alle Schüler – unabhängig von ihrer Herkunft – angelegt werden. Um soziale Herkunft zu verwischen, gibt es Schuluniformen. In Deutschland werden dagegen schulische Anforderungen stark an den sozialen Hintergrund gekoppelt: bei den guten Schülern der Eliteschulen ist das Niveau hoch, in von  Migranten besuchten Klassen eher niedrig.

Ein kleines aber interessantes Detail: Zum japanischen Konzept gehört z.B. auch, dass Lehrer und Schüler für die Sauberkeit ihres Schulzimmers selbst verantwortlich sind – zur Förderung eines Verantwortungsgefühls, das die Gemeingüter wertschätzt. Auch das gemeinsame Mittagessen ist Teil des pädagogischen Konzepts.

Noch ein Punkt, der sehr systemisch gedacht wird: Wie kann man Lehrer motivieren, sich auf schwierige Schulen einzulassen? Z.B. dadurch, dass ein Aufstieg in der Hierarchie nur dort möglich wird, wo jemand eine schwierige Schule erfolgreich gemeistert hat; oder dadurch, dass an schwierigen Schulen deutlich höhere Gehälter gezahlt werden! Bei uns wird bei konstanter Bezahlung jeder Lehrer versuchen, an die angenehmen Schulen zu kommen – nicht die beste Voraussetzung für ein gutes Schulsystem, wo man die schwierigsten Fälle den besten Lehrern geben würde. Und woran erkennt man gute Lehrer im asiatischen Raum? Vor allem an ihrer Reputation, einem Massstab, der trotz (oder gerade wegen?) seiner Subjektivität zu funktionieren scheint. Reputationssysteme sind in unseren Zeiten der Suche nach objektiven Evaluationskriterien in der westlichen Welt nicht so gerne gesehen, erweisen sich aber als interessante Informationsquellen.

Dass manche Länder, die (relativ zu ihrem Sozialprodukt) nur halb soviel Geld in Bildung investieren wie Deutschland, trotzdem Spitzenpositionen in PISA erobern können, hat auch mit der Klassengröße zu tun (einem Faktor, der nach PISA-Erkenntnissen keinen hohen Zusammenhang zur Qualität aufweist – im Unterschied etwa zur Lehrerfortbildung, laut PISA einem der mächtigsten Qualitätsfaktoren eines Bildungsystems). In Singapur z.B. werden große Klassen in Kauf genommen, dafür erhalten die Lehrer hohe Gehälter und die Schulen eine exzellente Ausstattung. Kann man denn mit 40 Schülern überhaupt sinnvoll arbeiten? Hier kommt Technik ins Spiel: Die Lehrer bekommen z.B. die Antworten von 40 Schülern per Instant Messaging auf ihren Bildschirm und haben damit mehr Informationen verfügbar als der Lehrer, der 1 oder 2 Schüler nach einer Frage aufruft und die Antwort diskutieren lässt.

Schön, dass unsere Studierenden bei Andreas Schleicher ins Blockseminar gehen können und all diese Themen an zwei Wochenenden vertieft mit ihm diskutieren können. Im Oktober wird er hoffentlich wieder in Heidelberg sein, wenn sich die internationalen PISA Expert Groups zu den verschiedenen Inhaltsbereichen hier bei uns treffen. Sein Input ist auch für die Experten interessant. Unsere Studierenden kennen ihn bereits.

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