Am Donnerstag 30.5. gab es einen wunderbaren Vortrag von John R. Searle in der Alten Aula zum Thema „Language and Social Ontology“. Anlass war die feierliche Eröffnung des Das Europäischen Zentrums für Sprachwissenschaften (EZS). Das EZS ist eine Kooperation des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim (IDS) und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Es bündelt sprachwissenschaftliche Forschungs- und Lehraktivitäten der beiden Einrichtungen in multilingual-europäischer Perspektive.
Wer ist John Searle? Hier ein kurzer Auszug über seine Person aus der Einladung:
John R. Searle (Jahrgang 1932), Professor der Philosophie an der Universität Berkeley/Kalifornien, gilt als einer der bedeutendsten Sprachphilosophen des 20. Jahrhunderts. Bahnbrechend waren für die linguistische Pragmatik vor allem seine frühen Ansätze zur Sprechakttheorie. Seine weiteren Forschungsschwerpunkte sind in den Bereichen Sprachphilosophie, Philosophie des Geistes und Sozialphilosophie angesiedelt, zu deren Entwicklung er mit zahlreichen Publikationen beigetragen hat. Neben zahlreichen Ehrendoktorwürden weltweit (z.B. an den Universitäten zu Belgrad 2009, Lugano 2003, Turin 2000, Bukarest 2000, Wisconsin 1994) ist John R. Searle Ehrenprofessor an den Universitäten zu Beijing (2007) und Shanghai (2007) sowie Träger der Puffendorf Medal in Schweden 2006 und vieler weiterer Auszeichnungen.
Eine sehr trockene Beschreibung eines äußerst humorvollen, kritischen und sehr lebendigen Geistes, der einen einstündigen frei gehaltenen Vortrag gehalten hat, in dem nicht nur seine Sprechakt-Theorie in 5 Minuten Kurzfassung vorkam, sondern vor allem die Konstruktion unserer Wirklichkeit durch „status function declarations“ (konstitutive Regeln) dargestellt wurde.
Was unterscheidet soziale Tatsachen wie etwa Geld von natürlichen Tatsachen wie der Höhe eines Berges? Searle kommt zu dem Ergebnis, dass soziale Tatsachen durch Phänomene kollektiver Intentionalität konstituiert werden. Hierfür entwickelt er die mittlerweile zum philosophischen Standardrepertoire gehörende Formel »X gilt als Y in C«, die aufschlüsselt, wie zum Beispiel ein Stück Papier X in einem bestimmten sozialen Kontext C als Geld (Y) behandelt wird.
Für mich, der ich gerade über kollaboratives Problemlösen nachdenke, waren seine Ausführungen zur „kollektiven Intentionalität“ (die „we-intentions“ im Unterschied zu den „I-intentions“) sehr interessant – wann arbeitet man wirklich am selben Ziel? Welche Art von Sprechakten sind dafür nötig?
Toll, John Searle kennengelernt zu haben! Eine überaus eindrucksvolle Persönlichkeit, dessen Bücher ich schon vielen Jahren sehr schätze (z.B. 1983: „Intentionality“; 1992: „The rediscovery of the mind“). Seine Ausführungen zur Intentionalität menschlichen Handelns zeigen die Grenzen monistischer und reduktionistischer Weltsicht auf und betonen die (schon lange bekannte) Gestaltungsmacht von Sprache. Denken, Handeln und Sprache: Dieses Dreieck hat er wunderbar umkreist! Kein Wunder, dass die Aula völlig überfüllt war! Erfreulicherweise habe ich – neben einer Kollegin und einem Kollegen – auch eine Reihe von Psychologie-Studierenden gesehen!
Seinen Hinweis, dass er in seinem Leben wesentlich mehr Romanseiten als Fachliteratur-Seiten gelesen hat, fand ich sehr beruhigend – diskutiert wurde daher von ihm auch die Frage, woran wir Fiction von Facts unterscheiden können: jedenfalls nicht anhand der Sprache! Wichtiger Unterschied: die bessere Zugänglichkeit zum Innenleben der beteiligten Personen!
Warum ich Heidelberg so liebe? Weil es diese kleine Stadt immer wieder schafft, solche Leute hierher zu holen, uns mit ihnen in Kontakt zu bringen und damit Neues in die Welt zu bringen! Es gibt eben doch ein paar sehr spezielle „milieus of creativity„!