Exzellenzerscheinungen

Auf der letzten Senatssitzung sind zwei interessante Fakten angesprochen worden, die im Zusammenhang mit der Exzellenzinitiative stehen: zum einen ist der Drittmittelanteil des Uni-Budgets inzwischen größer als der Landeszuschuss, zum zweiten scheinen sich erste positive Effekte der investierten Mittel zu zeigen.

ad 1) Was den gestiegenen Drittmittelanteil betrifft: Dass mehr als die Hälfte des universitären Budgets (ohne Klinikum) aus dritter Hand stammt, ist auf der einen Seite ein toller Erfolg der hier Forschenden im Kampf um wertvolle Drittmittelförderung. Allerdings besteht zunehmend die Gefahr, dass dadurch die Selbststeuerung von Wissenschaft (wir suchen uns die Fragen, die uns interessieren) ein Stück weit übergeht in eine Fremdsteuerung (untersuche mir dieses Thema und Du bekommst dafür Ressourcen). Zudem ist vielfach von „Billigforschung“ die Rede, weil Unis in den meisten Fällen keine echte Vollkostenfinanzierung verlangen (also z.B. auch anteilig Kosten für Räume, Energie, allgemeine Infrastruktur in Rechnung stellen), sondern sich die Antragssummen aus Personal- und Sachmittel sowie Reisekosten zusammensetzen, der Rest aber vom Land bezahlt wird.

Diese Landesfinanzierung – by the way – ist seit über zehn Jahren (seit dem Solidarpakt 1999) eingefroren auf den damaligen Stand! Ich möchte das Unternehmen sehen, das mit einem Etat von 1999 heute erfolgreich ins Rennen geht – Unis können das (und bewältigen zudem seit Jahren wieder einmal steigende Studierendenzahlen sowie anderweitig gestiegene Anforderungen). Einen Solidarpakt mit den Informationsprovidern wie Elsevier und Springer (den großen Journal-Lieferanten) gab es nicht – im Gegenteil schreiben diese Konzerne in ihren Verträgen jährliche Steigerungsraten von 3-5% fest!), daher wird ständig über Abbestellungen gesprochen. Auch der Raumbedarf steigt natürlich durch Drittmittel: Die zunehmend engere Doppel- und Dreifach-Belegung unserer Räume, aber auch fehlende Laborflächen machen uns zu schaffen. Dass die meisten Exzellenzgelder in Personal fließen (und damit Räume benötigen), ist ein erst spät erkannter Nebeneffekt, der nicht schnell zu heilen ist. Und auch von den inzwischen zusätzlich gewährten Overheads und Projektpauschalen bekommt das Rektorat 70%, das Institut nur 30% – auch das eine problematische Entwicklung, die zum Anstieg der Verwaltung führt, aber die Nöte der Institute nicht lindert.

Also: Drittmittelfinanzierung schön und gut, aber Vorsicht vor allzu großer Einflussnahme Dritter auf die Inhalte. Wir sollten keine billigen Aussenstellen von Konzernen werden, auch nicht von Ministerien. Programmforschung bündelt natürlich Ressourcen, nimmt damit aber auch erheblichen Einfluss auf die Wahl der Forschungsinhalte. Exzellente Forschung sollte leading edge sein, also selbst die Richtung vorgeben und nicht der Euro-Note hinterlaufen.

ad 2) Was mögliche positive Effekte der Exzellenzmillionen betrifft: Eine Analyse von Bernhard Mittermeier, veröffentlicht in der Deutschen Universitätszeitung DUZ (hier nachzulesen), zeigt für die neun Exzellenzunis insgesamt einen Anstieg von Publikationen (zum Vergrößern bitte Abbildung anklicken):

Bernhard Mittermeier 2011 (DUZ Heft 9/2011)

Quelle: Bernhard Mittermeier 2011 (DUZ Heft 9/2011)

Allerdings sind die relativen Zuwächse doch sehr unterschiedlich: Während die Uni Konstanz keinen nennenswerten Zuwachs aufweist, liegt er für die Uni HD mit 63% Steigerung der Publikationszahlen von 2003 auf 2009 an der Spitze (zum Vergleich: bundesweit liegt der Anstieg im Mittel bei 35%). Und natürlich ist zu fragen, ob Publikationen und Zitationen den ultimativen Massstab bilden. Man könnte ja auch fragen: wo und wie haben sich Lebensbedingungen von Menschen durch die geleistete Forschung verbessert? Und: werden diese Effekte nachhaltig sein oder nach Wegnahme der Mittel wieder verpuffen?

Exzellenzerscheinungen: hier sind noch viele Analysen notwendig, um nicht durch oberflächliche Zahlenspiele über die tatsächlichen Effekte getäuscht zu werden [Anmerkung am Rande: Ob die so stark gestiegenen Publikastionszahlen in HD wirklich auf Exzellenzmittel zurückgehen oder nicht einfach durch die Tatsache erklärt werden können, dass eine Reihe von Fächern, darunter auch die Psychologie, ihre Promotionsverfahren von klassischen Dissertationsschriften auf publikationsbasierte Promotionen umgestellt haben, bleibt noch zu prüfen.] Wie steht es um die nicht-exzellenten Unis? Sind die etwa in ihrer Leistung abgesunken? Wir werden uns damit noch weiter beschäftigen müssen! Ende November wird die Begehung der Gutachter für die 3. Säule (Zukunftskonzept) stattfinden – wir sind gespannt!

Für uns Psychologen geht es diesmal um viel mehr als in der vorigen Runde: Am vierten Field of Focus unter dem Titel „Self regulation and regulation: individuals and organizations“ sind wir massgeblich beteiligt! Interdisziplinäre Arbeit (in Verbindung mit Psychiatrie, Psychosomatik, Wirtschaftswissenschaft, Sportwissenschaft, Ethnologie) soll – so der Plan – durch drei Junior Research Groups geleistet werden, die von uns koordiniert werden. Hoffentlich klappt das!

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