Seit einer Woche genieße ich wieder einmal die vorlesungsfreie Zeit – ich komme zum Lesen, zum Analysieren alter Daten, zum Schreiben – bin nicht gehetzt von Termin zu Termin, sondern kann mal 2-3 Stunden am Stück an einer Sache dran bleiben. Von Kolleginnen und Kollegen höre ich ähnliches. Das ist Arbeit so wie ich sie mir wünsche! Und das beste: Dies ist die vorlesungsfreie Zeit nicht gleich wieder nach 6 Wochen zu Ende, sondern ich habe im Sommer ein Forschungssemester! Yeah! Ein bisschen fühle ich mich wie amerikanische oder kanadische Kolleginnen und Kollegen, die pro Jahr (standardmäßig) nicht mehr als 1 oder 2 Veranstaltungen abzuhalten haben (ja, ich weiss, Miriam: die sind viel anstrengender als bei uns!).
Natürlich liegen weiterhin Gutachten in größerer Menge auf meinem Tisch, eines ist besonders erwähnenswert: eine australische Dissertation, für deren Begutachtung ich 358 AUS$ erhalten soll. Wow! Hätte ich für alle meine Gutachten, die ich bislang verfasst habe, ähnliche Summen bekommen, wäre ich vermutlich ein reicher Mann. Die Gutachtertätigkeit hat in den letzten Jahren (so mein Eindruck) dramatisch zugenommen: In einer Welt, in der alles mehrfach evaluiert werden muss, werden immer mehr Gutachten gebraucht – auch die wachsende Zahl an Journals bedeutet eine gestiegene Zahl an eingereichten Artikeln, die beurteilt werden wollen. So erfolgreich „peer review“ als Qualitätskontrolle wirkt, so fordernd ist dieses Prinzip. Aber: wer Artikel einreicht, sollte auch als Gutachter tätig werden. Das ist der Preis, den man dafür zu zahlen hat, dass man hilfreiche Empfehlungen zumeist anonymer Reviewer bekommt.
Natürlich ist die vorlesungsfreie Zeit nicht ohne Termine und ohne Verpflichtungen: Prüfungen werden abgehalten, eingehende Essays gesichtet und bewertet, Nachklausuren geschrieben und korrigiert. Daneben laufen ja auch Forschungsprojekte, zu denen Berichte verfasst werden sollen. Neue Anträge werden vorbereitet, Konferenzbeiträge geschrieben, Buchkapitel korrigiert, Journalisten-Anfragen betreut… Es gibt viel zu tun – aber eben keine Veranstaltungsvorbereitung und keine Seminare oder Vorlesungen, die abzuhalten sind.
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