Mit großer Freude habe ich erfahren, dass uns das BMBF im Schwerpunkt „Mustererkennung“ rund 275.000 Euro für ein dreijähriges Projekt zur Intentionsdiagnostik bewilligt hat. Im Rahmen eines größeren Verbundvorhabens zum Thema „Automatisierte Detektion interventionsbedürftiger Situationen in öffentlichen Räumen durch Klassifizierung visueller Muster“; Akronym: ADIS; Gesamtvolumen: 1.4 Mio €) übernehme ich das Teilvorhaben „Psychologische Ansätze der Mimik-, Gestik- und Bewegungs-Deutung sowie Akzeptanzanalysen“; Akronym: PADAK). Worum geht es dabei?
Den Hintergrund unseres Vorhabens bildet die Tatsache, dass die Gewalt in öffentlichen Räumen immer weiter zunimmt. Gefordert werden deshalb z.B. von Verkehrsunternehmen Lösungen, die in der Lage sind, objektive Sicherheit und subjektives Sicherheitsempfinden bei gleichzeitiger Kosteneffizienz zu steigern. In diesem Zusammenhang bekommt die Automatisierung von Überwachungssystemen mittels intelligenter Videoanalyse zur Gefahrenabwehr wie auch zur Erkennung von weiteren interventionsbedürftigen Situationen einen immer größeren Stellenwert. Es wird eine Vielzahl von Sensorik im öffentlichen Lebensraum angeboten, die für sicherheitsrelevante Überwachung dieser Bereiche genutzt wird. Diese Sensorik kann bisher in den meisten Fällen nur zur nachträglichen Aufklärung von bereits begangenen Straftaten, aber nicht zur Verhinderung beitragen. Um Gewalttaten gegebenenfalls verhindern zu können, müssten sämtliche, sicherheitsrelevante Informationen liefernde Quellen lückenlos von erfahrenem Personal, welches Gefahrensituationen erkennen kann, überwacht werden. Dies ist aus finanziellen Gründen nicht realisierbar.
Es werden daher in Zukunft Systeme benötigt, die menschliches Verhalten, das typischerweise zu einer Straftat führt, möglichst früh, jedenfalls aber in Echtzeit erkennen (Verhaltensanalyse, Gestik- und Mimikdeutung) und darauf einen Alarm auslösen. Solche Alarme könnten geeignete Interventionen ermöglichen, z.B. de-eskalierende Durchsagen und Disposition von Sicherheitspersonal, Polizei oder medizinischer Hilfe. Für ein solches System müssen Verhaltensmuster, die grundsätzlich zu Gewalthandlungen und damit Straftaten führen können, identifiziert und beschrieben werden. Es müssen dann die hard- und softwaretechnischen Voraussetzungen untersucht werden, damit dieses System die beschriebenen Muster erkennen kann.
In diesem Forschungsvorhaben soll diese allgemeine Fragestellung in konkreten kleinräumigen Situationen wissenschaftlich untersucht, demonstriert und evaluiert werden. Hierzu wird untersucht, in wie weit spezielle Bereiche für die Fahrgäste der U-Bahn eingerichtet werden können und als räumlich begrenzte, sicherheitstechnisch überwachte Bereiche akzeptiert werden. Psychologische Forschung soll bei diesem Vorhaben einerseits helfen, die Bedingungen der Früherkennung von aggressiven Akten zu erkennen und für Prävention von Übergriffen nutzbar zu machen, andererseits sollen die Bedingungen der Akzeptanz überwachter Bereiche eruiert werden und damit zu einer optimalen Balance zwischen Schutzfunktion und Wahrung der Privatsphäre beitragen.
In Hinblick auf die Früherkennung ist zu erforschen, ob und wie aggressive Intentionen bereits vor der Tatausführung erkennbar sind. Hierzu sollen Experimente mit kontrolliert variiertem Videomaterial helfen, die relevanten Faktoren für die Alarmgebung zu identifizieren. In Hinblick auf die Akzeptanz videoüberwachter Bereiche geht es uns einerseits um die grundsätzliche und spezifische Akzeptanz bei den potentiellen Nutzern, andererseits um die Anforderungen an die Mitarbeiter der Leitstelle. Letzteres betrifft das Verhältnis von Aufwand und Kosten, d.h. die Frage, welches Verhältnis von Sensitivität und Spezifität der Alarmgebung anzustreben sein wird. Dabei geht es um die Identifikation optimaler Alarmierungsstrategien aus Sicht des Monitoring-Personals. Hierbei wird Dr. Gesine Hofinger (Lehrbeauftragte an unserem Institut) und ihr Team einen wichtigen Part übernehmen.
Partner in diesem anwendungsorientierten Vorhaben sind die Firma Indanet AG (Koordinator) sowie das Fraunhofer Institut IPK. Offizieller Projektbeginn ist der 1.6.2010 – da allerdings die Bewilligung erst am 25.5.2010 im Vorab-Mail ausgesprochen wurde, kann es noch etwas dauern, bis wir loslegen. Projektmitarbeiterin ist Dipl.-Psych. Carolin Berude.
Keine Antworten