Habe am Wochenende einen Beitrag meines Kieler Kollegen Rainer Mausfeld gelesen (hier zum Download des PDF-Artikels aus „Gehirn und Geist“), in dem er über die Beteiligung von Psychologen an der Entwicklung und dem Einsatz von Foltertechniken im Anti-Terror-Kampf berichtet:
An den »innovativen Verhörmethoden«, wie sie etwa in den Gefangenenlagern in Guantánamo, Bagram oder Abu Ghraib zum Einsatz kamen, haben Psychologen entscheidend mitgewirkt. In den Fokus der Weltöffentlichkeit geriet dies im Jahr 2007: Damals bekundete die größte psychologische Berufsvereinigung, die American Psychological Association (APA), dass Psychologen, die »innovative Verhörtechniken« entwickeln oder Sicherheitsleute darin ausbilden, »einen wertvollen Beitrag« leisten, um »Schaden von unserer Nation, anderen Nationen und unschuldigen Zivilisten abzuwenden«.
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Die in Guantánamo angewandten Verhörtechniken haben Psychologen entworfen – insbesondere die Firma »Mitchell, Jessen & Associates«, an der auch ein ehemaliger Präsident der American Psychological Association namens Joseph Matarazzo beteiligt ist. Diese Firma hat sich auf die Ausbildung von Verhörexperten spezialisiert und vermutlich auch Anweisungen für Verhöre in so genannten Black Sites entwickelt, also Verhöre in Staaten, in denen öffentlicher Widerstand kaum zu befürchten ist. [eine Black Site soll übrigens in Mannheim gewesen sein: die Coleman Barracks! JF]
Dass sich die APA inzwischen davon distanziert (siehe die Unterlagen auf ihren Ethik-Seiten: „No defense to torture!“), ist das mindeste. Wichtig scheint mir die Frage, wie man Menschen davon abbringt, solche – offensichtlich berufsqualifizierenden – Anwendungen unserer Wissenschaft überhaupt zu betreiben. Wissenschaft ohne Ethik: wieder einmal zeigt sich, dass Bildung mehr sein muss als Ausbildung. Bildung muss Werte vermitteln. In der Psychologie müssten wir z.B. über Menschenrechte aufklären.
Der Beitrag von Rainer Mausfeld (es gibt übrigens eine längere Fassung auf seiner Homepage unter Miscellanea) hat mir noch mal das Missbrauchspotential unseres Faches vor Augen geführt – umso wichtiger sind ethische Verpflichtungen und ein Bewusstsein für die Verantwortung hinsichtlich des Einsatzes unseres Fachwissens.
siehe auch: Meldung von Florian Rötzer 02.05.2009 auf TelePolis; Blog-Eintrag von Anne Przek („der Freitag“)
Nachtrag 17.10.09: Gerade eben ist das neueste Heft der „Psychologischen Rundschau“ erschienen und was sehe ich darin: Mausfeld, R. (2009). Psychologie, ‚weiße Folter‘ und die Verantwortlichkeit von Wissenschaftlern. Psychologische Rundschau, 60, 229-240. Super!